Und nie sollst du vergessen sein
sagte sie, während sie immer noch in den Untiefen der Seitentasche nach ihrem Schlüssel suchte. Einige Geldstücke, eine Plastikmünze für den Einkaufswagen, ein Stück Papier, zusammengeknüllte Tankbelege und eine Sicherheitsnadel kamen zum Vorschein. Sie fuhr zusammen, als etwas aus ihrer Tasche klirrend zu Boden fiel. Ehe sie reagieren konnte, hatte sich Georg Villinger bereits gebückt und hob den im Licht schwach schimmernden Gegenstand hoch.
âDas ist ja das Medaillon einer Rosenkönigin. Woher hast du das denn?â Er hielt das Schmuckstück näher ans Licht der Treppenhauslampe.
âDas Medaillon hat Markus am See gefunden.â
âAm Witznaustausee?â Georg Villinger schaute Emma mit einem tiefen, durchdringenden Blick an, der den Anflug einer Skepsis in sich barg. âIch dachte, du wärst im Urlaub. Aber wie es scheint, arbeitest du wohl schon für die Kollegen in Waldshut.â Er lachte, und dabei wackelten seine groÃen Ohren, dass Emma automatisch an einen tapsigen Bären denken musste.
âDas fehlte noch. Aber wenn man durch den Ort läuft, Augen und Ohren offenhält und eins und eins zusammenzählen kann, da wird aus so manchen wild durcheinanderliegenden Puzzle-teilen eine Geschichte ...â
â... die wohl eher die Polizei aus Waldshut nacherzählen sollte, oder?â, unterbrach Villinger, ehe Emma ihren Gedanken ausführen konnte. Er öffnete den Waschraum, der sich gleich neben der Haustür anschloss und griff nach Schneeschieber, Bommelmütze und Handschuhen.
âAber du wärst nicht die Emma, die ich kenne, wenn du dich nicht auch in diese Geschichte hineinknien würdestâ, sagte er, während er sich wetterfest anzog.
âSie scheinen mich doch besser zu kennen, als ich dachte.â Emma grinste, als er sich zur ihr umdrehte und ein Ohr ganz unter der violetten Mütze verschwunden war, während das andere von dieser so abgeknickt wurde, dass man meinen konnte, Mister Spock von der Enterprise stünde vor ihr.
âBevor ich mit der Polizei spreche, möchte ich zuerst in Erfahrung bringen, was es mit diesem Medaillon auf sich hat. SchlieÃlich möchte ich nicht die Pferde scheu machen, wenn nichts dahintersteckt und dieser kleine Rosenanhänger überhaupt nichts mit dem Mord zu tun hat beziehungsweise nur durch Zufall dort lag, ehe er gefunden wurde.â
âIch glaube, da kann ich dir weiterhelfen. Denn ich kenne dieses Schmuckstück. Jedes Jahr wird am Rosenball die neue Rosenkönigin gekürt. Ihr zu Ehren pflanzen wir eine neue Züchtung im Rathaus-Pavillon an, die sie feierlich auf einen Namen ihrer Wahl taufen darf. Als Andenken an dieses Ereignis bekommt die Königin ein Medaillon geschenkt, das ...â, Georg Villinger stoppte mit seinen Ausführungen, zog seine Hand aus seinem Handschuh und streckte sie Emma entgegen.
âIch heiÃe Georg, Nach der langen Zeit des Kennens ist das Du doch eigentlich längst überfälligâ, sagte er und grinste breit.
âNun aber zu diesem Medaillon. âCLâ sagst du ...â Er nahm Emma das Schmuckstück aus der Hand. Vorsichtig hielt er das Medaillon, auf dessen Vorderseite die Rose nur noch an ihrem typischen Blütenmuster der übereinanderliegenden Blätter zu erkennen war, und studierte es erneut unter dem gelblichen Licht der Flurbeleuchtung. Die Farbe des Lacks, ein ehemals leuchtendes Bordeauxrot, war nahezu ganz abgeblättert, und nur noch wenige kleine Partikel erinnerten daran, dass dieses Schmuckstück einmal ganz farbig gewesen sein musste.
âJa, du hast recht, es ist eindeutig âCLâ. Lass mal überlegen. Ich bin jetzt seit mehr als 20 Jahren Mitglied im Heimat- und Geschichtsverein und so habe ich auch aktiv viele Mädchen erlebt, die zur Königin gekürt wurden. Aber für wen könnten diese Initialen bloà stehen? Denn soweit ich weiÃ, gab es diese Medaillons schon etliche Jahre vor meiner Amtszeit, also da kommen dann vielleicht noch ein paar weitere junge, na ja heute wohl eher schon reifere Damen infrage.â Georg Villinger lehnte sich gegen die Tür des Waschraums, kratzte sich am Kinn und dachte angestrengt nach.
Jetzt fehlt nur noch, dass er sich seine Nase reibt und ruft: âIch habâsâ, dachte Emma und musste mit einem Schmunzeln an den Zeichentrickhelden Wicki denken, der mit seinen tollkühnen Ideen seinen
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