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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Quarch
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Zweckmäßigen identifiziert wird. Wo solches Denken Triumphe feiert, da wird Effizienz zu einer Tugend für sich – völlig ungeachtet dessen, wem diese Effizienz dient. Hauptsache, man hat sich nützlich gemacht.
    Sie ahnen, wo das Problem liegt? Genau. Es liegt da, wo vor lauter Effizienz aus dem Blick gerät, ob der Zweck, dem man sich nützlich erweisen möchte, überhaupt sinnvoll ist. Und dieser Umstand war es auch, der die Kritiker des Utilitarismus auf den Plan rief. Allen voran Immanuel Kant, der nur ein solches Leben für sinnvoll erachtete, das nach Maßgabe der Gebote der Moral gutzuheißen wäre.
    Mensch, es ist dir gesagt, was gut ist! Die Gleichsetzung von sinnvoll und gut
    Dass der Sinn und Zweck des Lebens darin liegen könnte, glücklich zu sein und sich in Wohlstand, Bequemlichkeit und Wohlergehen zu aalen, ging dem Ostpreußen Kant völlig gegen den Strich. Viel zu weich schienen ihm diese Faktoren, als dass man happiness zum Maß aller Dinge erklären könne. Viel zu sehr hing ihm das an den subjektiven und zufälligen Glückserwartungen der Menschen, was nach utilitaristischen Vorstellungen den Sinn des Lebens ausmachen sollte. Nein, damit wollte er sich nicht abfinden. Er suchte ein besseres, verlässlicheres Fundament für ein gutes und sinnvolles Leben. Aber woher sollte er es nehmen? Gott hatte als moralischer Gesetzgeber zu viel Kredit eingebüßt. Zu ihm führte kein Weg zurück. Als Sinngarant war er aus dem Rennen. Aber das hieß für Kant mitnichten, dass es unmöglich sei, ein absolutes, verlässliches, ewiges, bleibendes Maß aller Dinge zu finden. Im Gegenteil. Jetzt war der Weg frei, um endlich dem wahren Maß aller Dinge – ungetrübt von aller metaphysisch-theologischen Verzerrung – in die Augen zu sehen: dem »moralischen Gesetz in mir«.
    Wie die alte Moral funktioniert hatte, haben wir uns schon angeschaut. Erinnern Sie sich? Drei Ingredienzien brauchte es für diesen Trank: 1. Ein absolutes, objektives, göttliches, zeitlos-gültiges Gebot, dem Gehorsam zu leisten das Leben gut, bejahbar und sinnvoll macht. 2. Ein freies, selbstverantwortliches, entscheidungsfähiges Subjekt, in dessen Verantwortung es steht, sich für oder gegen den Gehorsam zu entscheiden und entsprechend sinnvoll, bejahbar und gut zu leben – oder sinnlos und böse. 3. Eine absolut verbindliche und unzweifelhafte Autorität, die darüber zu entscheiden hat, ob jemand sich wahrhaft gehorsam und treu dem Gesetz verpflichtet oder nicht.
    In der alten Moral der jüdisch-christlichen Tradition waren die Rollen wie folgt vergeben: Das absolut verbindliche Gebot (1) hatte Gott offenbart: »Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist …« Der freie und verantwortliche Adressat dieses Gebotes (2) war der Mensch, der – aus welchen Gründen auch immer – frei war, sich für oder gegen das Gebot zu entscheiden; gehorsam zu sein oder nicht. Und derjenige, der das menschliche Treiben auf seine Bejahbarkeit oder Verneinbarkeit hin befragte (3), war Gott als Weltenrichter, dem es dann auch oblag zu urteilen, wessen Lebenssinn sich in einer himmlischen Welt erfüllen und wer ewig fern des Sinns (der Bejahbarkeit) in der Hölle schmoren sollte.
    Nun lag, als Kant zu Königsberg die Feder spitzte, Gott bereits im Sterben, und nicht nur die Briten hatten versucht, eine neue Autorität (z.B. den Leviathan oder den Zweck des größtmöglichen Glücks für die größtmögliche Menge) an seine Stelle zu rücken. Kant fand all das zum Kotzen, weil diese neuen Garanten des Sinns am Ende allzu abhängig waren von so unsteten Faktoren wie Menschenmacht und Menschenmeinung. Nein, es brauchte ein wahrhaft verlässliches Fundament des Lebens – eines, das des Lebens Sinn tatsächlich verbürgte. Und seine Suche führte ihn genau dorthin, wo auch schon Descartes mit seinem methodischen Zweifel gelandet war: zur Vernunft. Ja, zur Vernunft. Auf sie allein war Verlass. Denn nur was vernunftgemäß war, konnte Vernunftwesen nachhaltig überzeugen. Nur was vernünftig einsehbar war, konnte den Anspruch auf Wahrheit erheben. Also musste der Sinn des Lebens aus der menschlichen Vernunft herzuleiten sein. Deshalb hieß es, die Vernunft so gründlich unter die Lupe zu nehmen – einer, in Kants Sprache, so gründlichen Kritik zu unterziehen –, bis sie aus sich heraus preisgeben würde, was das Leben gut, bejahbar und sinnvoll macht.
    So etwa könnte man Kants großangelegtes Projekt einer »Metaphysik der Sitten« beschreiben – einer

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