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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Quarch
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aufmachen. Denn für das Wesentlichste überhaupt – den Sinn des Lebens – gilt allemal, dass er für die Augen unsichtbar ist und nur mit einem wachen und klaren Herzen gewahrt werden kann. Und, seien wir ehrlich: Eigentlich wissen wir doch alle, dass die Liebe die Frage nach dem Sinn beantwortet. Frisch Verliebte stellen sich die Frage nach dem Sinn des Lebens nicht (so viel Klarheit ist allemal in ihrem »unordentlichen« Gefühl!). Diese Frage stellt sich ihnen nicht, weil sie längst beantwortet ist, weil Liebende sich und die Welt nun einmal ohne Wenn und Aber bejahen – und selbst dann noch bejahen, wenn die Umstände denkbar ungünstig sind. Dazu hat Viktor Frankl alles gesagt.
    Schaut man sich die Sache von dieser Seite an, zeigt sich, dass Sinn und Sinnlichkeit mehr verbindet als nur der Titel von Jane Austens zauberhaftem Roman Sense and Sensibility : dass beide tatsächlich gar nicht voneinander zu trennen sind. So dass wir zum Ende dieses Kapitels keinem Geringeren als Udo Jürgens beipflichten müssen, der einst sang:
    »Wenn mich einer fragt: Worin
    Siehst du für dich des Lebens Sinn?
    Dann sag ich ihm: Auch in der Sinnlichkeit.«
    Aphrodite – Wo Sinn und Sinnlichkeit verschmelzen
    Dass Sinn und Sinnlichkeit untrennbar zusammengehören, war für die griechische Auslegung des Lebens selbstverständlich. Stand doch für diese Wahrheit keine Geringere als die Göttin Aphrodite. In ihr ist die überwältigende Erfahrung der Schönheit zur Gestalt verdichtet. Sie ist die Hinreißende, die Unwiderstehliche, die alles und jeden in Bann Schlagende. Wo sie erscheint, lenkt sie unweigerlich alle Aufmerksamkeit auf sich. Nichts und niemand kann sich ihrem Liebreiz entziehen. Nichts und niemand, der nicht angesichts ihrer bis »in alle Ewigkeit hinaus, unersättlich ›Da capo‹« rufen wollte: »So will ich es noch einmal und unzählige Male!« Aber nicht, weil diese Schönheit so ganz dem entspricht, wie ich es immer machen wollte – nicht, weil sie mein Werk, das Produkt meines »Willens zur Macht« ist; sondern, weil sie über mich kommt, mich übermächtigt, mich trifft – so dass ich mich ihr schlechterdings nicht entziehen kann. Es ist das große »Ja!«, das »Da capo« des Übermächtigten , nicht des Mächtigen , das einer Aphrodite entgegenjubelt. Und das macht einen großen Unterschied!
    Ah, Aphrodite! Wer oder was ist sie? – Aphrodite ist Gold. Wo die alten Hymnen sie besingen, da glänzt und strahlt alles an ihr. Alles taucht sie in ihr warmes, freundliches, goldenes Licht. Die »goldene Kypris« wird sie gerufen, »die Goldbekränzte«, die – kaum dass sie geboren war – von den Horen aufs Prächtigste geschmückt wurde. Diese, so erzählt der Homerische Hymnus, »taten ihr auf das unsterbliche Haupt den prächtigen, goldenen, / schöngefertigten Kranz, und in die durchstochenen Ohren / fügten sie Blüten aus Messing und aus gepriesenem Golde. / Ihren zarten Hals und silberschneeigen Busen / schmückten sie mit goldnem Geschmeide.«
    Schönheit, die sprachlos macht, pure Schönheit. Eine Aureole des Sinns umstrahlt ihren meist nackten, prächtig geschmückten Leib. Man muss sie bejahen! Man kann nicht anders, so hinreißend ist sie. So gesehen steht sie für die unwiderstehliche Sinnhaftigkeit selbst – für das gleißende, göttliche Licht, das die Welt durchdringt und den Menschen mit allen Sinnen berührt. Sinnlich ist sie, und voller Sinnlichkeit gibt sich der hingerissene Mensch ihr hin. In einem Sinnestaumel, der in einer jeden Seele die unendlich kostbare Quelle des Sinns zum Sprudeln bringt.
    Gewiss: Auch die anderen Götter sind schön – und jede der im Mythos zu einer Gottheit verdichteten Facetten des Lebens strahlt im Glanze der Sinnhaftigkeit. Auch Apollon lernten wir als den Leuchtenden ( Phoibos ) kennen. Doch war sein Leuchten anderer Art: hoheitsvoll und klar, aus der Ferne kommend und geistig. Aphrodite dagegen trifft mitten ins Herz. Sie entfesselt die Sinne. Sie entflammt die Sinnlichkeit. Sie steht nicht so sehr für die ordnende und heilende Kraft des Sinns, sondern für dessen die Sinne hinreißende Attraktivität. Sinn – so könnte man das mythische Bild der sinnlichsten Göttin übersetzen – ist der ultimative Attraktor: Wo Sinn erscheint, reißt er hin; da geht ein Sog von ihm aus – ein Sog, der uns unwiderstehlich auffordert und antreibt, ein Leben zu führen, das von seinem Licht erleuchtet ist. Ein Sog, der wie ein einsames Licht in der Nacht

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