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...und noch ein Küsschen!

...und noch ein Küsschen!

Titel: ...und noch ein Küsschen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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Augenblick zögerte er noch. «Können Sie etwas hören?», fragte er den Arzt.
    «Kann ich
was

    «Können Sie etwas
hören

    «Nur ein Summen.»
    Klausner stand mit der erhobenen Axt da. Aber er brachte es einfach nicht fertig zuzuschlagen. Der Gedanke an den Laut, den der Baum von sich geben würde, ließ ihn abermals zögern.
    «Worauf warten Sie noch?», fragte der Arzt.
    «Auf nichts», antwortete Klausner. Er holte weit aus und schwang die Axt gegen den Baum. Und während er sie schwang, glaubte er zu fühlen, ja mehr noch, war er sicher zu fühlen, dass sich die Erde unter ihm bewegte. Ein leichtes Beben lief durch den Boden, auf dem er stand, als wären die Wurzeln des Baumes in der Tiefe erzittert. Aber es war zu spät, den Schlag zu bremsen. Die Axt traf den Stamm und drang in ihn ein. In diesem Augenblick erklang über den Männern das Krachen berstenden Holzes und das Rauschen von Blättern, die andere Blätter streiften. Sie sahen beide hoch, und derArzt schrie: «Passen Sie auf! Laufen Sie, Mann! Schnell, laufen Sie!»
    Er hatte den Kopfhörer abgerissen und rannte davon. Klausner aber stand wie erstarrt und blickte auf den großen, viele Meter langen Ast, der sich langsam nach unten neigte. An der dicksten Stelle des Astes, dort, wo er in den Stamm überging, barst, knackte und splitterte das Holz. Klausner konnte gerade noch rechtzeitig beiseitespringen. Der Ast fiel auf den Apparat und zertrümmerte ihn.
    «Mein Gott!», rief der Arzt, als er zurückgelaufen kam. «Das ging nahe vorbei! Ich dachte schon, es hätte Sie erwischt!»
    Klausner sah den Baum an. Sein großer Kopf war zur Seite geneigt, und auf seinem weichen weißen Gesicht lag ein Ausdruck des Entsetzens. Langsam näherte er sich dem Baum und löste vorsichtig die Axt aus dem Stamm.
    «Haben Sie es gehört, Doktor?», fragte er mit versagender Stimme.
    Der Arzt war vom Laufen und der Aufregung noch ganz außer Atem. «Was gehört?»
    «Im Kopfhörer. War da irgendein Geräusch, als die Axt aufschlug?» Dr.   Scott rieb sich den Nacken. «Hm», murmelte er, «offen gestanden   …» Er runzelte die Stirn und nagte an seiner Unterlippe. «Nein, nicht dass ich wüsste. Wirklich, ich kann es nicht sagen. Die Axt schlug auf, und in der nächsten Sekunde habe ich den Kopfhörer schon abgerissen.»
    «Ja, ja, aber was haben Sie gehört?»
    «Ich weiß es nicht», beteuerte der Arzt. «Ich weiß nicht, was ich gehört habe. Wahrscheinlich das Geräusch des splitternden Astes.» Er sprach schnell und ziemlich gereizt.
    «Wie hat es geklungen?» Klausner beugte sich ein wenig vor und sah ihn scharf an. «Beschreiben Sie mir genau, wie es geklungen hat.»
    Der Arzt verlor die Geduld. «Zum Teufel, woher soll ich das wissen? Ich war mehr daran interessiert, mein Leben zu retten. Lassen wir das.»
    «Dr.   Scott,
wie hat es geklungen

    «Herr des Himmels, denken Sie denn, ich achte auf so was, wenn der halbe Baum herunterkommt und ich um mein Leben rennen muss?» Der Arzt war zweifellos nervös. Klausner spürte es. Er stand regungslos da und blickte Dr.   Scott an, ohne ein Wort zu sprechen. Der Arzt scharrte mit den Füßen, zuckte die Achseln und wandte sich schließlich ab. «Nun», sagte er, «das ist dann wohl alles.»
    «Halt!», befahl der kleine Mann, und sein weiches weißes Gesicht rötete sich plötzlich. «Halt, Sie müssen das hier erst nähen.» Er zeigte auf den klaffenden Riss, den zweiten, den die Axt in den Baumstamm geschlagen hatte. «Nähen Sie das schnell.»
    «Seien Sie nicht albern.»
    «Tun Sie, was ich Ihnen sage. Nähen Sie es.» Klausner hob die Axt etwas höher. Er sprach leise, in einem seltsamen, fast drohenden Ton.
    «Seien Sie nicht albern», wiederholte der Arzt. «Ich kann kein Holz nähen. Kommen Sie, wir gehen ins Haus.»
    «Sie können kein Holz nähen?»
    «Nein, natürlich nicht.»
    «Haben Sie Jod in Ihrer Tasche?»
    «Und wenn ich welches habe?»
    «Bepinseln Sie die Wunde mit Jod. Es wird brennen, aber das lässt sich nicht ändern.»
    «Unsinn», sagte der Arzt, und wieder wandte er sichzum Gehen. «Machen Sie sich doch nicht lächerlich. Kommen Sie mit ins Haus, und dann   …»
    «Bepinseln Sie die Wunde mit Jod!»
    Der Arzt zögerte. Er sah, wie sich Klausners Hand fester um den Griff der Axt schloss. Entweder tue ich ihm den Willen, dachte er, oder ich laufe weg, so schnell ich kann. Er fühlte sich verpflichtet zu bleiben.
    «Also gut», sagte er. «Ich bepinsele die Wunde mit

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