Und oben sitzt ein Rabe
sollte dir eine Lehre sein.« Er blickte sich suchend um und entdeckte ein Glas mit Marmelade. Zum Glück stand es offen da, sonst hätte er einhändig Schwierigkeiten gehabt. Mit seinem dicken Zeigefinger holte er ein schönes Häppchen aus dem Glas und schmierte es sich ins Ohr. Dann setzte er den immer noch stummen und geduldigen Raben auf seine rechte Schulter und ließ ihn los. Offenbar war dies das richtige Rezept: Der Rabe trippelte ein wenig auf der Stelle, dann begann er, die Marmelade vorsichtig aus Baltasars Gehörgang zu naschen.
Der alte Goldberg schaute zu und grinste. »Gut so.«
Das Wasser begann zu kochen. Während Goldberg den Kaffee in einer alten Blechkanne aufbrühte, setzte Matzbach sich sanft auf einen Stuhl. Der Rabe ließ sich nicht stören.
Als der Großvater zwei Emaillebecher, Löffel und ein Milchkännchen auf den Tisch gestellt und sich gesetzt hatte, blickte Baltasar ihm in die Augen.
»Ich hoffe, ich muß Sie nicht auch in ähnlicher Weise von meiner Person überzeugen.«
»Ich kann mich allein waschen, danke.«
Matzbach rührte in seinem Kaffee und berichtete in knappen Sätzen: zur Person, zur Sache, zu den Anlässen und Auswirkungen. Als er damit fertig war, nahm er einen großen Schluck Kaffee und griff in die Brusttasche, um eine Zigarre herauszuziehen. Nachdenklich betrachtete er seine verschmierten Finger, an denen nun nicht nur Marmelade haftete.
»Trottel!« sagte der Rabe. Dann keckerte er.
Matzbach stand auf, ging zum Waschbecken und versuchte, mit spitzen Fingern, Wasser und dem Spültuch seine Brusttasche notdürftig zu säubern. Der Rabe blieb derweil auf der Schulter und verfolgte die Reinigung mit Anteilnahme.
Als Baltasar wieder saß, klopfte der alte Mann mit knochigem kräftigen Finger auf die Tischplatte. »Und jetzt?«
»Ganz einfach. Moritz hat Ihnen am Wochenende den Wagen gebracht. Sie geben mir Schlüssel und Zulassung, und ich versuche mit Hilfe des Wagens und dieses Flugsauriers hier, die Tankstelle zu finden, an der Ihr Enkel getankt hat.«
Goldberg schnaubte. »Zwischen hier und Königswinter oder Siegburg, egal, gibt's tausend Tankstellen.«
»Na ja, ein paar weniger werden's schon sein. Aber haben alle Diesel?«
Goldberg kniff die Brauen zusammen. »Weiß nicht. Wohl die meisten. Hier gibt's viele Bauern.«
»Kriegen die ihren Treibstoff nicht woanders?«
Goldberg zuckte mit den Schultern.
Matzbach leerte seinen Becher und stand auf. Er ging abermals zum Waschbecken, diesmal, um sein Ohr von den Marmeladeresten zu säubern. Der Rabe protestierte und flog auf die Schulter des Großvaters, wo er leise brabbelnd hocken blieb.
Als Baltasar mit den Fingern schnipste und den dicken Zeigefinger auf den Raben richtete, musterte der Vogel ihn unbewegt.
»Poe, komm her«, sagte Baltasar energisch und deutete auf seine rechte Schulter. Mit leichtem Staunen verfolgte der Großvater den Flug des Vogels, der gehorsam auf Baltasars Schulter zurückkehrte.
»Das ist mir neu«, sagte er. Dann holte er aus einer Schublade Schlüssel und Papiere, reichte sie Matzbach und winkte ihm zu folgen. Sie gingen zu einem Schuppen auf dem hinteren Teil des Grundstücks. Goldberg öffnete das Tor, und Matzbach inspizierte den alten Diesel. Ächzend klemmte er sich hinter das Steuer, schob den Sitz nach hinten, um atmen zu können, und betrachtete sinnend das Armaturenbrett. Der Rabe flatterte auf die Rückbank, wo er auf und ab stolzierte.
»So so«, sagte Baltasar.
»Was?«
Baltasar wies auf den Tachometer. »Hier, der Zähler für die Tageskilometer. Normalerweise stellt man ihn ein, wenn man aufgetankt hat. Bis Bonn sind es etwa fünfzig Kilometer. Angenommen, Ihr Enkel hat in Bonn noch mal, na, sagen wir zehn Kilometer zurückgelegt, macht von hier aus sechzig. Dann hat Moritz vielleicht noch einmal zehn Kilometer gemacht, um aus Bonn herauszukommen, und wieder fünfzig, um den Wagen herzubringen. Macht hundertzwanzig plusminus zehn Prozent. Nun hat der gute Andreas aber nicht hier, sondern auf dem Weg nach Bonn getankt. Und Umwege gemacht. Wenn wir genau wüßten, wie viele Kilometer Moritz zurückgelegt hat, wüßten wir, wie weit von Bonn die betreffende Tankstelle sein kann. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Ihr Enkel Umwege gemacht hat, würde uns das schon helfen.«
Goldberg nickte.
Matzbach stieg wieder aus und ging zu seinem eigenen Wagen. »Wo ist das nächste Telefon?«
Der Alte erklärte es ihm.
Baltasar hob die Hand. »Gut, bis
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