Und ploetzlich sind sie 13
zerstören können oder er hätte gewalttätig gegen andere werden können, jedoch nicht unbedingt gegen die Person, die die Ursache des Zorns war. In unserem Fall hätte Pascal vielleicht seinen Tennisschläger weggeschmissen und dadurch zerbrochen; er hätte Niklas anrempeln können oder vielleicht sogar seinen Zorn an einem Unbeteiligten auslassen können.
3. Stufe: Wutanfall (der Wunsch, jemanden mit
verbaler Gewalt – Schreien, Gebrüll – zu „verletzen“)
Pascal hätte seinen Bruder anschreien und damit versuchen können, ihn mit Worten zu verletzen. Oder er hätte einen Unbeteiligten verbal attackieren können.
4. Stufe: Unkontrollierte, nicht zielgerichtete Äußerungen von Wut (Schimpftirade, Herumschreien)
Auch auf dieser Stufe hätte Pascal seine Worte nicht unter Kontrolle, aber er hätte niemanden verletzen wollen. Er würde herumschreien und sehr unangenehm sein. Aber es wäre dennoch schon ein Fortschritt. Dies ist ein viel besserer Weg, mit Ärger umzugehen, als die vorangegangenen drei Verhaltensweisen, weil Pascal weder Dinge noch Personen zerstört hätte oder auf Rache sinnen würde.
5. Stufe: Emotionsgeladene Darstellung der Situation (man macht seinem Ärger in Worten Luft)
Auf dieser Stufe wäre Pascal zwar laut geworden, hätte aber seine Bemerkungen auf das Problem und auf seinen Bruder beschränkt: „Du brauchst mir keine Ratschläge zu geben, wie ich Tennis spielen soll!“
6. Stufe: Angemessene und vernünftige Reaktion
auf den Auslöser des Zorns (man drückt Gefühle sachlich aus:
„Ich habe mich darüber geärgert, dass du …“)
Pascal hätte sagen können: „Ich habe mich geärgert, und ich mag es nicht, wenn du mir Ratschläge erteilst!“ Später hätte er mit seinem Bruder die Angelegenheit sachlich erörtern können und sie hätten sich vielleicht Folgendes vorgenommen: „Wenn wir das nächste Mal Tennis spielen, machen wir keine Bemerkungen, höchstens ehrliche Komplimente. Wenn wir für ein Spiel trainieren, dann kannst du mir Tipps geben.“
„Die Lösung des Problems besteht für beide Parteien darin, die Angelegenheit vernünftig und logisch zu untersuchen, sie zu prüfen, zu besprechen und beide Standpunkte zu verstehen, um am Ende sich darüber einig zu werden, was man tun könnte. Dies erfordert eine ganze Menge Reife auf beiden Seiten. Nur wenige Menschen erreichen jemals diese Reife in ihrem Leben.“ 17
Eltern sollten also mit gutem Beispiel vorangehen und zuerst lernen, angemessen mit ihrem eigenen Ärger umzugehen und auch zu akzeptieren, dass in einer Familie mit Jugendlichen Ärger und Zorn sozusagen Dauergäste sind. Anstatt unseren Kindern heftige Reaktionen schlichtweg zu verbieten, müssen wir sie da abholen, wo sie stehen, und sie von dem Punkt aus weiterführen. Das Ziel für uns selbst und für unsere Kinder heißt: den Ärger mit Worten ausdrücken und darüber reden.
Wie man die Leiter erklimmt
Ein paar Tage nach dem Vorfall auf dem Tennisplatz setzten sich Pascal, Niklas und ihre Eltern zusammen und sprachen darüber, wie man mit Ärger fertig werden kann. Gemeinsam stellten sie fest, wo Pascal sich gerade befand, und halfen ihm, sich für die Zukunft ein höheres Ziel zu setzen, wenn ihn das nächste Mal die Wut überkommen sollte.
Wenn Sie Ihrem Teenager helfen möchten, einen reiferen Umgang mit Ärger zu entwickeln, können Sie dieses Modell der Stufen des Umgangs mit Ihrem Kind besprechen. Dazu eignet sich am besten eine ruhige Stunde. Sprechen Sie über typische Verhaltensweisen und solche, die sich als besser erwiesen haben. Vielleicht sagt Ihr Sohn/Ihre Tochter: „Okay, momentan bin ich wohl so etwa auf Stufe 4. Vielleicht kann ich ja noch eine nach oben kommen.“
Die beste Gelegenheit, dieses Thema praktisch werden zu lassen, ist dann, wenn Ihr Kind gerade auf jemanden wütend ist, allerdings sollten das nicht Sie sein! Dann könnte ein Gespräch ungefähr so verlaufen:
Yannik: „Ich bin voll sauer. Ariane hat gesagt, sie geht mit mir zur Schuldisco, und jetzt will sie nicht. Sie geht jetzt lieber mit diesem Marcel, diesem getunten Nullchecker!“
Mutter/Vater: „Dass dich das getroffen hat, kann ich gut verstehen. Wenn mir das passiert wäre, würde ich mich sehr verletzt und im Stich gelassen fühlen.“
Wenn Jugendliche wütend sind und ausrasten, müssen wir sie einfach reden lassen, ohne sie zu belehren, wie schlecht es ist, Ärger so unkontrolliert herauszulassen. Nachdem sich der Sturm gelegt hat, können wir
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