...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)
wissen Sie das alles?“
Ein siegessicheres Lächeln huscht über das Gesicht des Alten: „An dem Nachmittag, als es passierte, da ist Mario Micoliç zu mir gekommen und hat mir alles erzählt.“
„Warum sollte er das getan haben?“, sagte die Kommissarin. Zweifel regten sich wieder. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein smarter Typ wie Mario Micoliç einem einfachen Kneipenwirt die Tat gestehen und sich ihm damit in die Hand geben würde.
„Als die Jungs damals aus dem Saal kam in dem die Billardtische stehen, da sagte er dass sie den ganzen Vormittag schon dagewesen sind. Aber das stimmte nicht. Maria hatte den Saal noch einmal putzen müssen, weil am Abend zuvor jemand in die Ecke gekotzt hatte. Es stank furchtbar, weil es doch an dem Tag so heiß war. Ich war ein paar Mal drin, weil ich Marias Mutter kontrollieren musste. Aber die Jungs waren nicht da.... Keiner von Ihnen...!“ Er wischte sich mit der schwieligen Hand über die Augen: „Erst später tauchten sie alle auf. Die haben immer gedacht, dass ich den Trick mit dem hinteren Fenster nicht kenne, aber ich wusste, dass man ins Poolzimmer kommen konnte, ohne den Schankraum zu betreten.“
„Es war Marias Mutter, die das Poolzimmer putzte?“
„Ja..., sie war nicht besonders zuverlässig, aber ich wollte sie etwas verdienen lassen. Die Bauern im Dorf haben sie doch behandelt wie den letzten Putzlappen.“
Sonja Sänger erinnerte sich daran, was sein Sohn gesagt hatte. Der alte Mann suchte damals eine neue Frau. Vielleicht wollte er im Poolzimmer etwas anfangen mit ihr. Auf jeden Fall stand fest, dass die Alibis der fünf schon damals keinen Pfifferling wert gewesen waren.
„Als ich Mario dann sagte, dass das nicht stimmte, dass keiner von ihnen im Poolzimmer gewesen ist, da hat er mir gedroht. Er sagte, wenn ich das Alibi von ihnen nicht bestätigen würde, dann würde er mir das Haus über dem Kopf anzünden. Er hätte es getan...“, sagte der Mann weinerlich, „er hätte es bestimmt getan!“
Mit glasigen Augen starrte er sie an: „Ich hab das noch nie jemandem erzählt, noch nie! Ich kratz eh bald ab“, flüsterte er heiser, „jetzt kann Mario mir nicht mehr drohen.“
„Nein..., Mario Micoliç kann Ihnen nichts mehr tun, Mario Micoliç ist tot! Und trotzdem..., Sie hätten zur Polizei gehen sollen“, sagte sie ärgerlich, „die hätten Sie schon beschützt!“
Unvermittelt begann der alte Mann zu kichern. Er hielt die Hände vor den Mund, verharrte für einen Moment. Dann drehte er sich um und ohne ein weiteres Wort zu sagen verschwand er in der Schankstube.
***
Nachdenklich ging Sonja Sänger zurück in ihr Zimmer: „Wie viel Arbeit und Mühe hätte uns der Dummkopf ersparen können, wenn er damals den Mund aufgemacht hätte“, sagte sie wütend auf dem Weg zu ihrem Zimmer. Aber auch die Polizei hatte keine Meisterleistung abgeliefert. Sie hätte die Jungens intensiver befragen müssen. Es war die sträfliche Nachlässigkeit der Beamten, die dazu führte, dass der Fall erst jetzt, vierundzwanzig Jahre später aufgeklärt werden konnte.
Kapitel 22
Reinberg, Samstag 28. Oktober 1995
Als sie früh um sieben in den Schankraum trat, hatte der Wirt das Frühstück für sie vorbereitet. Er hielt eine bauchige Tee- und eine schlanke, kleine Kaffeekanne in die Höhe und fragte, „Kaffee oder Tee?“
Die Kommissarin lachte und rief, „Kaffee..., ich trinke morgens immer Kaffee!“
„Sehr vernünftig“, erwiderte er, stellte die Teekanne auf dem Tresen ab und ging die paar Schritte zu dem vorbereiteten Tisch. Behutsam goss er heißen Kaffee in eine große Steinguttasse.
Der kleine Tisch war liebevoll gedeckt. Es roch zwar immer noch nach abgestandenem Rauch und schalem Bier, aber sie spürte, dass sich jemand heute Morgen ganz früh viel Mühe gegeben hatte, die schlechten, dumpfen Gerüche zu vertreiben, um eine nette Atmosphäre zu erzeugen. Auf einer blütenweißen Tischdecke stand eine dickwandige Tasse, in welcher nun der Kaffee dampfte. Vor ihr auf einem Teller, eingewickelt in einer steifgestärkten Serviette aus dickem Leinen, lugten zwei kross gebackene Semmeln hervor.
Sie sah den jungen Mann an und umfasste die heiße Tasse: „Ah..., das tut gut. Das haben Sie wirklich nett gemacht“, sagte sie und lächelte ihn anerkennend an.
„Danke...“, erwiderte er, „aber mir gebührt das Lob nicht, es war meine Frau!“
„Bekomme ich sie noch zu sehen?“
Der Mann schüttelte den Kopf: „Leider nein, sie
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