Und plotzlich ist es Gluck
sein größter Fan.
Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, doch meine Kehle ist wie eingerostet. Ich habe mit niemandem mehr geredet, seit ich die Tests gemacht habe. Maureen postiert sich vor einer der an der Wand hängenden Fotografien und betrachtet prüfend ihr Gesicht, das sich im Glas spiegelt.
»Wo warst du denn so lange, Scarlett?«, will sie wissen.
»Ich habe gearbeitet.«
»Gearbeitet?«, wiederholt sie, als hätte sie dieses Wort zwar schon einmal gehört, könnte aber nicht viel damit anfangen. »Ah, und da ist ja auch Blue. Ich habe ihn schon überall gesucht.«
Der Kater sitzt in seinem Transportkorb. Ich muss ihn einsperren, wenn ich fahre, sonst würde er auf dem Fahrersitz thronen, mit den Vorderpfoten am Lenkrad. Er hasst es, Beifahrer zu sein. Als kleine Entschädigung bringe ich ihn gleich zu seinem absoluten Lieblingsplatz – in den beheizbaren Wäscheschrank, wo er sich auf einem Stapel warmer Handtücher zusammenrollt und binnen Sekunden eingeschlafen ist.
Dann geselle ich mich zu Maureen in die Küche. Sie hat inzwischen die Lachsfilets ausgepackt, die ich mitgebracht habe, und malträtiert sie mit einer langen Gabel.
Sie hebt den Kopf. »Ich glaube, die sind verdorben, Scarlett. Sieh dir mal diese komische Farbe an.«
»Sie sind völlig in Ordnung.«
»Aber sie sind orange!« Maureen schnüffelt mit einem halben Meter Sicherheitsabstand an einem Fischfilet und verzieht das Gesicht.
»So sollen sie auch sein«, erkläre ich ihr.
»Also, wenn ich Lachs gegessen habe, war er bislang immer zartrosa.«
»Er wird erst rosa, wenn man ihn kocht oder brät.«
»Oh.«
»Keine Sorge, es dauert nur zwanzig Minuten«, beruhige ich sie. »Setz dich doch inzwischen und ruh dich aus.« Ich schiebe sie sanft zu unserem klobigen Küchentisch, an dem, wie ich aus Erfahrung weiß, gut und gern vierzehn Mann Platz haben.
»Wo ist Declan?«
»Wahrscheinlich noch immer in seinem Arbeitszimmer. Mit Hugo. Die beiden verschanzen sich schon den halben Abend dort.« Sie rümpft die Nase.
»Was treiben sie denn?«, frage ich, dabei kann ich es mir lebhaft vorstellen. Ich sehe sie förmlich vor mir, wie sie auf
dem Sofa lümmeln und über die guten alten Zeiten philosophieren, als das Kino noch Lichtspielhaus hieß und sich Declan vor tollen Rollenangeboten gar nicht retten konnte.
Maureen zündet sich eine ihrer dünnen Mentholzigaretten an. »Angeblich proben sie.«
»Sie proben?«
»Ja. Heute ist offenbar ein Drehbuch gekommen«, berichtet sie und fügt dann verächtlich hinzu: »Mit der Post.« Wohl, weil Declan seine Drehbücher früher, als er noch ein bei allen Regisseuren gefragter Schauspieler war, normalerweise von einem Boten mit weißen Handschuhen überreicht bekam.
»Ein Filmdrehbuch?«, frage ich.
»Ja.«
»Von wem?«
Sie nimmt einen kräftigen Zug von ihrer Zigarette, bei dem ihre Lippen fast vollständig verschwinden. Beim Ausatmen wedelt sie mit den Händen vor ihrem Gesicht herum, um den Rauch möglichst gleichmäßig in der Küche zu verteilen. Ich halte die Luft an und warte, bis sich die Schwaden verzogen haben. Sie zögert die Antwort hinaus, um es spannend zu machen. Widmet ihre ganze Aufmerksamkeit der Zigarette.
Ich betrachte sie. Wie immer ist sie über und über mit Accessoires behängt. Jede ihrer Bewegungen wird von einem Klimpern begleitet, wie bei einer Katze, der man ein Glöckchen um den Hals gebunden hat. Bei Maureen sind es allerdings die zahlreichen Armreifen und Kettchen und Anhänger und die baumelnden Ohrringe, die klimpern. Außerdem knackst ihr rechtes Knie, wann immer sie aufsteht, sich hinsetzt oder einen Knicks macht, was ziemlich häufig vorkommt, wenn sie für eine Aufführung probt. Man muss schon sehr genau hinsehen, um sie unter
all dem Zeug, das sie mit sich herumschleppt, zu erkennen. Um den Hals hat sie sich heute zwei lange, fließende Schals geschlungen. Ich möchte wetten, dass sie morgens stundenlang vor dem Spiegel stand und versuchte, sie so zu drapieren, dass sie ihr eine kesse Note verleihen und ganz nebenbei die verhassten Falten ihres Dekolletés kaschieren. Sie trägt ein langes, wallendes Top und einen ebensolchen Rock, eine Kombination, die ihr ein sehr geschäftiges Aussehen verleiht. In erster Linie ist es jedoch ihr Haar, das einen geschäftigen Eindruck macht. Es ist aufgetürmt wie ein Heuhaufen, mit allerlei Spangen und Klammern festgesteckt, und ganz oben ragen zwei Stricknadeln hervor, wie Antennen. Beim Anblick dieser
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