Und plotzlich ist es Gluck
gerade die Wendeltreppe zu einer winzigen Kammer in einem unglaublich hohen Turm erklimmen, in ihrem glitzernden, rosaroten Hochzeitskleid, dessen Schleppe hinter ihr über die Stufen schleift. Ihre rosaroten Cinderella-Pantöffelchen klappern über die raue steinerne Treppe.
Das Meeting dauert eine halbe Ewigkeit, und die Wunschliste wächst. Rose-Champagner kann ich ja noch auftreiben, aber eine rosarote Kutsche, die von vier rosa Pferden gezogen wird? Ich gebe mir Mühe, nicht an das Baby in meinem Bauch zu denken, dessen Vater sich womöglich im selben Raum mit mir befindet, und rede mir den Mund fusselig, bis die ganze Welt von einem rosaroten Glanz überzogen zu sein scheint und mir der Kopf schwirrt, weil es so viel zu erledigen gibt.
Das liebe ich an meiner Arbeit. Mit der Zeit lassen meine Wut und meine Schockiertheit nach, mutieren zu einer Art Hintergrundgeräusch, und ich konzentriere mich auf die vor mir liegenden Aufgaben. Wenn es um eine Marzoni-Hochzeit geht, bleibt einem gar nichts anderes übrig.
Ich muss zugeben, dass mir noch nie ein Bräutigam wie Red Butler untergekommen ist. Die meisten sitzen entweder wie betäubt da und geben kein Wort von sich, oder sie blättern wichtigtuerisch in den Zeitungen, von denen ein ganzer Stapel auf dem Tisch liegt. Oder sie sehen ständig mit gerunzelter Stirn auf die Uhr, die an der Wand vor sich hin tickt. Red Butler tut nichts dergleichen. Er beteiligt sich an der Unterhaltung. Er bringt Vorschläge ein, die Sofia auch noch gefallen. Rosarote Vorschläge. Und er verzieht keine Miene, als Sofia über seinen rosa Hochzeitsanzug
redet. Was ich einigermaßen beunruhigend finde in Anbetracht der Tatsache, wie sehr sich sein Outfit – und im Grunde genommen die gesamte Hochzeit – mit seiner Haarfarbe beißen wird.
»Ich wusste, du würdest ihn mögen«, sagt Sofia, als Filly mit Red hinunter zur Kantine geht, weil er »ein leichtes Hungergefühl verspürt«, wie er gerade mitten in der Besprechung verkündet hat. Und das, obwohl er die gesamten Firmenvorräte an Teegebäck verdrückt hat, gefolgt von zwei Bananen aus Sofias Mary-Poppins-Handtasche, einem von Filly gestifteten Kokosbällchen sowie einer arg mitgenommenen Minitüte Maisflips mit Hühnchengeschmack, die er in der hinteren Jeanstasche verstaut hatte. Ich sehe auf die Uhr. Es ist sieben Minuten nach elf.
»Ich meine, ich weiß, er ist nicht unbedingt dein Typ, aber ich hatte trotzdem so ein Gefühl, dass ihr euch auf Anhieb verstehen würdet. Und ich hatte Recht.«
Meine Antwort klingt wie das Japsen eines Welpen, der gerade stranguliert wird. Ich räuspere mich. »Du scheinst jedenfalls … sehr zufrieden mit ihm zu sein.«
Sofia gackert los, den Kopf in den Nacken gelegt. »Er ist doch kein Möbelstück, Scarlah!«
»Nein«, sage ich und lächle.
»Aber es stimmt schon«, bestätigt sie. »Ich bin glücklich. Guck mal.« Sie zieht die Bluse hoch und zeigt auf den Hosenbund, der ihr in den weichen Bauch schneidet.
Einen schrecklichen Augenblick lang befürchte ich schon, dass sie verkündet, sie sei schwanger. Bekommt Ellen eine Marzoni-Stiefschwester?
»Siehst du? Ich habe zugenommen.« Sofia steckt sich die Bluse wieder in die Hose. »Wenn ich glücklich bin, lege ich immer ein paar Kilo zu. Du hättest mich sehen sollen,
nachdem Italien die Fußballweltmeisterschaft gewonnen hat. Ich war ku-gel-rund. Nach der Auflösung von Wham! dagegen war ich so dünn, dass eine Gottesanbeterin im Vergleich dazu ausgesehen hätte wie John Candy.«
Sofia und Red gehen erst, als ich allmählich schon die Hoffnung aufgebe, dass sie jemals wieder mein Büro verlassen werden. Zum Abschluss schlägt Sofia vor, wir sollten uns bis Juni alle vierzehn Tage treffen, und danach einmal wöchentlich oder, falls erforderlich, auch öfter.
Ich kontere mit einer Telefonkonferenz pro Monat und dem Versprechen, ihr bei Bedarf per E-Mail einen Lagebericht zu schicken.
Wir einigen uns schließlich darauf, dass wir telefonisch in Kontakt bleiben und ich ihr einmal monatlich einen Zwischenbericht liefern werde. Häufigkeit und Dauer der Telefonate werden aber nicht genauer ausgehandelt.
Beim Abschied umarmt mich Sofia noch einmal und drückt mein Gesicht an ihr Dekolleté. »Versprich mir, dass meine Hochzeit schöner wird als die von Isabella und Carmella und Maria und Lucia«, verlangt sie. Ich kann sie nur undeutlich hören, weil ihre Arme meine Ohren verdecken, aber die Message ist klar.
»Versprochen«,
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