Und plotzlich ist es Gluck
wirklich Scarlett O’Hara?« Red lächelt mich an, als wäre nichts geschehen. Als würde seine Verlobte
nicht direkt neben ihm stehen und – ich sehe etwas genauer hin – seine betrügerische Hand halten.
Sofia sieht zwischen uns hin und her wie ein Tennisschiedsrichter in Wimbledon. »Ihr kennt euch?«
»Nein«, sage ich.
»Ja«, sagt Red im selben Augenblick.
»Nun, wir … wir kennen uns nicht richtig«, erkläre ich hastig. »Das heißt, wir … Filly und ich … Wir haben ihn eines Abends in einer … in der Bar kennengelernt, in der er arbeitet.«
»Oh, du meinst den Love Shack?«, fragt Sofia. »Ja, da arbeitet er gelegentlich. Nur als Aushilfe. Eigentlich ist er Schauspieler. Hat er das erwähnt?«
»Äh … nein, hat er nicht«, stottere ich.
»Tja, Red ist eben sehr bescheiden.« Sie strahlt ihn an.
Er lächelt zurück. Es ist ein inniges, aufrichtiges Lächeln. Keine Spur von Unbehaglichkeit. Als würde er denken – als wäre er ganz sicher –, dass er ungeschoren davonkommen wird. Ich unterdrücke den Impuls, ihn zu Boden zu werfen und ihn mit einem von Fillys Stiletto-Pumps zu Brei zu prügeln. Wenn Blue hier wäre, würde er mir helfen, diesem Red die Augen auszukratzen. Doch Blue ist unten am Empfang bei Hailey, die darauf besteht, ihm einen Wintermantel zu stricken. Heute ist seine erste Anprobe.
Sofia redet weiter, und es kostet mich meine ganze Energie, meine Mordgelüste zu unterdrücken. Ich muss zumindest den Anschein erwecken, als würde ich ihr zuhören.
»Herrje, Scarlah, ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich es ihm erzählt habe«, sagt sie und deutet mit dem Kopf auf Red, wobei sie vertrauensvoll lächelt. »Aber er ist mein Verlobter – ich erzähle ihm alles.«
Ich weiß, ich sollte etwas entgegnen, aber mir will partout nichts einfallen.
Zum Glück eilt mir Filly zu Hilfe. »Hat jemand Lust auf eine Tasse Tee und ein paar Schokoladen-Kimberleys?«, fragt sie. Das ist meine Rettung. Auf diese Weise habe ich ein paar Minuten Zeit, um mich etwas zu sammeln. Doch der Schuss geht total nach hinten los.
»Ich komme mit dir in die Küche«, verkündet Sofia. Schon ist sie an der Tür.
»Nein, warte«, ich packe sie am Arm. »Filly schafft das schon allein, nicht wahr, Filly? «
Filly nickt, doch Sofia wirkt besorgt. »Was Tee angeht, habe ich meine ganz eigene Zubereitungsart, müsst ihr wissen. Ich trinke ihn immer mit zweieinhalb Löffeln Demerara-Zucker, und der Beutel muss in der Tasse bleiben, bis die Milch eingerührt ist. Und das Wichtigste ist, dass das Wasser nur siedet und nicht kocht, wenn man es über den Beutel gießt.« Sie schenkt Wasser aus einem imaginären Wasserkocher in eine imaginäre Tasse. »Der einzige Mensch, der das außer mir richtig hinbekommt, ist Red.«
Ich sehe mich panisch um. Ich will auf keinen Fall mit ihm allein gelassen werden.
»Wir sind gleich wieder da, Scarlah«, sagt Sofia. »Du kannst ja inzwischen ein wenig mit Red plaudern. Du wirst sehen, er ist ein ganz reizender Mensch.« Sie zerzaust ihm kurz die Haare, dann rauscht sie ab.
Filly zuckt entschuldigend die Achseln und trottet hinter ihr her. Die Tür schließt sich. Wir sind allein. Ich kann gar nicht schnell genug hinter meinem Schreibtisch verschwinden, und sobald ich sicher auf meinen vier Buchstaben sitze, öffne ich eine neue Datei in der Datenbank und beginne wie wild auf meiner Tastatur herumzuhacken.
»D-A-N-I-E-L B-U-T-L-E-R«, murmle ich, während ich mit zwei Fingern auf die entsprechenden Tasten tippe. Mit etwas mehr Kraftaufwand und etwas steiferen Fingern als
sonst vielleicht, aber abgesehen davon lasse ich mir nichts anmerken. Sehr professionell.
»Geburtsdatum?«, frage ich, ohne den Blick vom Laptopbildschirm abzuwenden.
Red beugt sich über meinen Schreibtisch, die Hände auf die Tischplatte gestützt. Ich starre sie an. Der Anblick weckt Erinnerungen.
»Scarlett«, sagt er und wartet ab.
Ich markiere seinen Namen, lösche ihn und tippe erneut los.
»Ja?« Ich tippe weiter, gebe wahllos Zahlen in das Feld »Geburtsdatum« ein.
Red tritt ans Fenster, und es wird merklich dunkler im Raum. »Hör zu, Scarlett …« Er spielt mit dem Reißverschluss seiner Jacke, zieht ihn zu und wieder auf. Das metallische Zirpen legt meine Nerven blank. »Ich weiß, das ist eine unangenehme Situation für dich, und es tut mir echt leid. Ich …«
Mein bislang unterschwellig vor sich hin köchelnder Zorn brodelt über. Ich stelle das Tippen ein und klappe
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