Und plotzlich ist es Gluck
stürzt sich dann in eine Geschichte über Frank Sinatra, Marilyn Monroe und einen gewissen Carlito Corleone, der, so glaube ich jedenfalls, Mafiaboss ist.
Sofia begibt sich derweil auf die Suche nach Declans Oscar.
Maureen kommt herein. »Da bist du ja, Red. Ich brauche jemanden, der mir beim Textlernen hilft. Olwyn, die Ärmste, verschanzt sich nach wie vor in dieser schrecklichen Anstalt. Wenn das so weitergeht, wird meine Wenigkeit im Juli tatsächlich ihren Part übernehmen müssen.«
»Aber ich erzähle Red gerade die Geschichte von Mari, Fran und Carlito, Maureen.«
»Die hast du ihm doch schon letzte Woche erzählt«, erinnert sie ihn. »Und in der Woche davor ebenfalls, wenn ich nicht irre.«
»Gar nicht wahr«, sagt Declan, und flüstert dann, zu Red gewandt, mit feuerroten Ohren: »Oder doch?«
Ich kippe die letzten Kaffeebohnen in die Mühle und spitze die Ohren.
»Sie haben mir die Geschichte von Mari und Fran und
Carlitos Bruder Antonio erzählt«, sagt Red. »Erinnern Sie sich?«
Declan klopft ihm auf den Rücken, und Maureen seufzt, als er ihr verspricht, mit ihr den Text durchzugehen, sobald Declan fertig erzählt hat. Maureen nickt und schenkt ihm ihr strahlendstes Lächeln, und er lächelt zurück, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder Declan widmet und sich das Ende der Story anhört, obwohl er sie bereits kennt.
Ich stelle Kaffee, Tassen und Lebkuchen auf den Tisch, dann nehme ich das Tablett für George und Phyllis zur Hand, die sich im Pförtnerhaus die Serien Dragons’ Den und Brothers & Sisters ansehen wollen .
»Gute Nacht, Scarlett«, ruft mir Red nach.
»Du gehst doch nicht schon ins Bett, oder?«, fragt Maureen erschüttert.
»Wir spielen gleich Gin Rummy«, verkündet Declan, und die überraschten Mienen der anderen Anwesenden verraten mir, dass ihnen das neu ist.
»Ich bringe Phyllis und George noch schnell ihr Abendessen, und dann werde ich vermutlich schlafen gehen, ja. Ich bin ein bisschen müde«, sage ich.
Maureen schüttelt den Kopf. »Und so etwas nennt sich eine Schlafwandlerin.«
»Ich wusste gar nicht, dass du unter Schlafstörungen leidest«, bemerkt Red.
»Und wie«, sagt Maureen. »Sie ist quasi unser Hausgeist. Jede Nacht wandert sie mit dem Kater auf dem Arm durch das Haus. Das hat sie schon im Teenager-Alter gemacht. « Sie lächelt Red an, als wäre das eher eine besondere Leistung als ein Problem, mit dem ich mich seit Jahren herumschlage.
Zum Glück bleibt mir eine Erwiderung erspart, denn Declan ist von einer Sekunde auf die andere eingeschlafen.
Ich verdrücke mich unauffällig, während sich Maureen auf die Suche nach einem Geschirrtuch macht, um sein Schnarchen damit etwas zu dämpfen. Als ich später auf meiner nächtlichen Wanderung mit Blue auf dem Arm noch einmal in die Küche komme, finde ich dort einen zusammengefalteten Zettel, der am Wasserkocher lehnt. Es ist eine an mich gerichtete Nachricht. »Liebe Scarlett«, steht dort in krakeliger Kinderschrift, »vielleicht hilft das ja. Liebe Grüße, Red.« Daneben hat er mit Tesa einen Portionsbeutel Kakaopulver und eine Zimtstange befestigt.
Die Buchstaben lehnen sich nach rechts und links. Ich gehe zum Mülleimer, trete auf das Pedal. Heiße Schokolade ist für Amateure. Außerdem ist der Kakao vor drei Monaten abgelaufen, und die Zimtstange ist an einem Ende aufgeweicht, als hätte sie jemand als Kauknochen verwendet. Bei dem Anblick denke ich unwillkürlich an Al Pacino.
Ich zögere. Das ist das erste Mal, dass ich nachts Gesellschaft habe – außer Blue –, auch wenn es nur eine handschriftliche Nachricht ist.
Ein total unbrauchbarer Tipp natürlich.
Aber nett gemeint.
Ich stecke den Zettel in die Jackentasche und setze meine Wanderung fort.
29
So richtig allein fühle ich mich immer in der halb-privaten Geburtsklinik in der Holles Street, in der man auf ebenso viele Männer wie Frauen trifft. Auf jede Schwangere kommt ein Mann. Ich steche hervor wie eine Giraffe aus einer Herde Schafe. Filly hat sich erboten, mich zu begleiten, aber irgendjemand muss im Büro die Stellung halten, und außerdem würde ich mit ihr an meiner Seite nur noch mehr auffallen als allein.
Maureen war entsetzt, als sie hörte, dass ich nicht in eine Privatklinik gehe. Aber ich brauche nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch einen Kinderwagen, einen Kindersitz für das Auto, ein Babyfon, eine Wiege, Babykleider, Decken, Fläschchen, Hautcreme … Da kommt so einiges zusammen. Ich trage sämtliche
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