Und plotzlich ist es Gluck
ist. Ich denke an die Sahara und halte es auf diese Weise noch eine Weile aus, aber es sind noch – ich zähle kurz nach – siebzehn Leute vor mir. Das halte ich unmöglich durch. Ich unterrichte die Wartenden rechts und links von mir, dass ich zurückkommen werde und fühle mich verpflichtet, meine Jacke, meine Tasche und meinen Schlüsselbund hierzulassen, damit sie sehen, dass es mir ernst ist. Ich bitte sie, beides auf den nächsten Platz zu verlegen, für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich die Schlange während meiner Abwesenheit bewegt.
Als ich nach drei Minuten zurückkehre, sitzt jemand auf meinem Platz, obwohl lümmeln wohl das passendere Wort wäre. Er hat die Beine weit von sich gestreckt, so dass sie die gegenüberliegende Korridorwand berühren, und beugt sich zu dem Mann, der neben ihm sitzt. Beide starren auf eine grobkörnige Schwarz-Weiß-Aufnahme, die der Mann in der Hand hält.
»Unglaublich«, sagt Red und schüttelt den Kopf.
Der Mann nickt und hebt den Kopf. »Das ist Ihr erstes, oder?«, fragt er. »Hab ich mir gleich gedacht.«
Ich baue mich vor Red auf. »Was machst du hier?«
»Scarlett! Hi.« Er springt auf und lächelt mich an. »Wie geht es dir?«
»Woher wusstest du denn, dass ich hier sitze?«
Er deutet grinsend auf meinen Schlüsselbund. Auf dem Anhänger prangt ein Foto, das Blue an seinem letzten Geburtstag zeigt. Er sitzt auf Phyllis’ Schoß, mit den Vorderpfoten auf dem Tisch, und schnuppert an einer Schokoladentorte.
Die Torte hat die Form einer Makrele (sein Lieblingsfisch).
»Und deine Jacke … Sie ist so … ordentlich zusammengefaltet. «
»Gibt es denn noch andere Möglichkeiten, eine Jacke zusammenzufalten? «
Er lacht, als hätte ich etwas Lustiges gesagt.
Ich lasse den Schlüsselbund in meine Handtasche fallen, nehme meine Jacke, setze mich hin und lege mir die Jacke über die Knie. »Woher wusstest du …?«
»Es war in den Wandkalender an eurer Küchentür eingetragen. Ich habe es gesehen, als ich gestern bei euch in Tara war.«
Grrr. Phyllis und ihr dämlicher Wandkalender. »Du hättest wirklich nicht kommen müssen«, sage ich.
»Ich weiß«, erwidert er. »Aber ich hoffe, du hast nichts dagegen.« Er mustert mich mit schief gelegtem Kopf, und zwar zur Abwechslung ohne das übliche Lächeln, was mir aus unerfindlichen Gründen ein schlechtes Gewissen verursacht, als wäre ich für das Fehlen dieses Lächelns verantwortlich.
»Also, ich …«
Der Mann auf dem Stuhl neben mir starrt angestrengt in die andere Richtung, obwohl er die Luft anhält und es sichtlich kaum erwarten kann, meine Antwort zu hören. In diesem Moment bewegt sich die Schlange, und zu meiner Rechten wird ein Platz frei.
Ich nicke seufzend und deute auf den leeren Stuhl. Der Mann neben mir atmet hörbar aus, und Reds Lächeln kehrt zurück. Er lässt sich auf den freien Platz plumpsen und wirkt, als würde er hier schon sein ganzes Leben sitzen. Ich mache den Mund auf, doch er kommt mir zuvor.
»Hör zu, Scarlett«, sagt er leise, den Blick zu Boden gewandt. »Ich weiß, dass du mich vermutlich nicht hier haben willst. Aber als Filly erzählt hat …«
»Filly?«
»Ich habe sie vorhin angerufen, weil auf eurem Kalender nichts davon stand, in welcher Klinik du den Termin hast.«
»Oh.«
»Sie hat mir die Adresse gegeben, und als ich sie gefragt habe, ob jemand bei dir ist, meinte sie, dass du immer allein zu den Vorsorgeuntersuchungen gehst, und da hatte ich einfach …«
»Sag jetzt nicht, dass du Mitleid hattest.« Das war lauter als beabsichtigt und trägt mir einige neugierige Blicke ein.
»Aber nein.« Er wirkt empört. »Ich wollte sagen, dass ich das Gefühl hatte, du könntest ein bisschen Gesellschaft gebrauchen, das ist alles. Ich habe sogar Spielkarten dabei, siehst du?« Er zieht ein zerfleddertes Kartenset aus der Hosentasche. Ich möchte wetten, dass das nicht zweiundfünfzig Karten sind.
»Welche Spiele kennst du denn?«, frage ich, ohne es zu wollen.
»Hmm … ich bin gut in Schnipp Schnapp.« Er beginnt, die Karten auszuteilen. »Oder Uno. Das ist ein richtig tolles Spiel.«
»Wie steht’s mit Gin Rommé?«, frage ich. Er grinst bedauernd, und ich grinse zurück, ohne es zu wollen.
Ich bringe ihm Black Jack bei. Er nennt die Kreuz-Karte Kleeblatt. Ich gebe, und wir rücken nach. Wir spielen. Ich schlage ihn fünfmal hintereinander, dann lasse ich ihn einmal gewinnen, was mich selbst überrascht. Ich lasse nie jemanden gewinnen. So vergeht eine
Weitere Kostenlose Bücher