Und plotzlich ist es Gluck
Posten samt den dazugehörigen Ausgaben in eine Excel-Tabelle ein und ziehe die Summe von der Höhe meiner Ersparnisse ab. Das Ergebnis ist ein Defizit, das sich gewaschen hat – und das, obwohl ich mein Sparkonto mit sechs Jahren eröffnet habe, gleich nach der Erstkommunion.
Maureen erzähle ich nichts von meinen Geldsorgen. Sie würde sagen, dass Declan für alles aufkommen wird. Und das würde er bestimmt auch, wenn ich ihn ließe.
Es ist Freitagmorgen, und ich sitze wieder einmal in der Geburtsklinik in der Holles Street. Offiziell habe ich eine Besprechung mit der Floristin wegen der zu importierenden Blumen (»Egal, welche Sorte, Hauptsache, sie
sind rosa«, O-Ton Sofia Marzoni). Die Klinik ist in einem Betonbunker auf dem Parkplatz neben dem Krankenhaus untergebracht. Eine Frau, die aussieht, als wäre sie ungefähr im zehnten Monat, schiebt sich durch die schmale Eingangstür und ruht sich erst einmal auf einem Stuhl aus, ehe sie die Treppe in Angriff nimmt, die zu den Untersuchungszimmern führt. Alles hier ist schmal, einschließlich der Frau, die hinter dem Empfangstresen sitzt. Sie spitzt die schmalen Lippen und lässt einen schmalen Fingernagel über eine Namensliste gleiten.
»Ich habe hier keine Scarlett O’Hara«, sagt sie, ohne den Kopf zu heben.
»Sehen Sie mal unter H nach«, rate ich ihr.
Sie schnalzt mit der Zunge, blättert in ihrer Liste und findet mich unter H.
»Das ist ein Fehler.« Sie gibt nicht zu, dass es ihr Fehler war, entschuldigt sich auch nicht. Erst jetzt sieht sie mich an, und es ist eher eine Grimasse als bloß ein Blick. Ich habe das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen, tue es aber nicht. Ich mag viele Fehler gemacht haben, aber dieser hier geht nicht auf mein Konto.
»Die Nächste bitte!«, ruft sie.
Ich bedanke mich lächelnd bei ihr, weil ich überzeugt bin, dass es sie fürchterlich ärgern wird. Ich weiß allerdings nicht, ob sie zu allen unhöflich ist oder nur zu mir. Wir hatten einen schlechten Start bei meiner Anmeldung am ersten Tag. Ich musste damals ein Formular ausfüllen.
»Sie haben da etwas vergessen«, bemängelte sie, nachdem ich es unterschrieben und ihr überreicht hatte, und zeigte auf das einzige Feld, das ich nicht ausgefüllt hatte.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe es nicht vergessen. Ich kann bloß die Frage nicht beantworten«, sagte ich mit leiser Stimme. Wir standen zwar hinter einem niederen
Paravent, aber trotzdem konnten alle anderen Anwesenden mithören. Privatsphäre ist hier – wie alles andere in diesem Etablissement, von den Patientinnen einmal abgesehen – Mangelware.
»Sie wissen nicht, wer der Vater Ihres Kindes ist?« Sie sprach nicht sehr laut, aber immerhin so laut, dass es alle hören konnten, die an diesem Nachmittag im Warteraum saßen.
»Nein.« Ich wollte vor Scham im Boden versinken.
Als ihr klarwurde, dass ich sie nicht in meine schmutzige kleine Geschichte einweihen würde, rutschte sie auf ihrem Stuhl herum und sagte: »Verstehe.« Sie schüttelte den Kopf und schrieb »UNBEKANNT« in das leere Feld zum Thema Vaterschaft. In Großbuchstaben.
»Ich muss das hineinschreiben«, erläuterte sie mir, »sonst wirft mir jede Abteilung das Formular wieder zurück, weil es nicht vollständig ausgefüllt ist.«
Ich setze mich auf einen der harten Plastikstühle, die in dem langen schmalen Korridor die Wände säumen, und warte auf meinen Termin. Hier wird einem nichts erklärt, man muss sich alles von den anderen Patientinnen abschauen. Erst muss man in eine kleine Plastikflasche mit einem gelben Verschluss pinkeln. Mit der Flasche in der Hand stellt man sich in eine Schlange und lässt sich von einer Krankenschwester abwiegen, die aus voller Kehle das Gewicht herausposaunt. Dann kommt die größte Herausforderung: Man setzt sich auf den hintersten freien Stuhl im Korridor und rückt Stuhl um Stuhl zum Anfang der Reihe vor, was zwischen vierzig Minuten und drei Stunden dauern kann. Und man muss auf Zack sein, darf um Himmels willen nicht träumen. Wenn ich nicht nachrücke, sobald der Platz rechts von mir frei wird, tippt mir die Person, die links von mir sitzt, auf die Schulter und deutet auf den leeren Platz.
Jetzt muss ich auf die Toilette, ungeachtet der Tatsache, dass ich vor nicht einmal einer halben Stunde eine Urinprobe abgegeben habe. Ich hätte den Behälter randvoll machen können, wie ich es bei meinem ersten Besuch hier getan habe. Niemand sagt einem, wie viel Urin für eine Urinprobe vonnöten
Weitere Kostenlose Bücher