Und Rache sollst du nehmen - Thriller
jeden Zweifel komplett im Eimer. Selbst wenn ihn die Cops ausfindig machten, der erinnerte sich im Leben nicht an mein Gesicht.
Trotzdem hatte ich ihn unter Androhung von Vergeltungsmaßnahmen
zur Geheimhaltung verpflichtet, und ich war mir sicher, dass er sich an seinen Teil der Vereinbarung halten würde. Er platzte fast vor Alk und Übermut, aber irgendetwas an mir jagte ihm Angst ein. Vielleicht sah ein Penner Dinge, die anderen verborgen blieben, vielleicht war er als Straßenbewohner einfach ein bisschen schreckhaft. Egal warum, er würde auf jeden Fall saufen und schweigen.
Die Polizei wusste es. Imrie wusste es. Bald wussten es ganz Glasgow, ganz Schottland und der Rest der Welt. Der Cutter hatte wieder zugeschlagen.
Mit dieser Nachricht konnten sie nicht hinterm Berg halten, schon wegen Imries Anwesenheit am Tatort. Die Cops hätten es niemals hingenommen, dass er mit einer weiteren Exklusivmeldung glänzte. Keine Stunde später stand Lewington vor den Fernsehkameras. Es wurde nicht erläutert, woher die Cops ihr Wissen in Ermangelung eines abgetrennten Fingers eigentlich hatten, es wurden keine Namen genannt. Aber die Bestätigung erfolgte trotzdem: Opfer Nummer sechs. Bühne frei für die Massenhysterie.
Die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, bis zu einem leeren Haus irgendwo in der Nähe von Possil, in dem Alec Kirkwood sieben Männer mit Kapuzen über dem Kopf gefangen hielt, um alles aus ihnen herauszukitzeln, was herauszukitzeln war. Er hatte gerade mal die Hälfte hinter sich gebracht. Meine oberschlaue Idee, Fiona Raedale per Fernbedienung umzubringen, während ich mich am anderen Ende der Stadt befand, hätte eigentlich als Alibi für Rachel herhalten
sollen, falls sie mich nochmal besuchte. Doch schließlich erwies sie sich als Alibi für Alec Kirkwood.
Ich wusste nicht, ob er einen Anruf bekommen hatte, vielleicht von einem bestechlichen Bullen, ob er es im Radio gehört oder Sky News geschaut hatte. Das war auch nicht weiter wichtig. Was sehr wohl wichtig war, was mir und einigen anderen erhebliche Schmerzen ersparte, war die Tatsache, dass er es überhaupt erfahren hatte.
Der Cutter hatte abermals zugeschlagen, und von den armen Schweinen, die vor ihm an ihre Stühle gefesselt waren, konnte es schon mal keins gewesen sein. Wer auch immer es war, die waren es nicht. Also wurden wir ohne weitere Umstände auf die Straße befördert. Sollten wir doch froh sein, dass wir noch am Leben waren.
Tags darauf stattete mir Arthur Penman einen Besuch ab, der Buchhalter, der als Strohmann für Kirkys Übernahme des Taxiunternehmens fungiert hatte. Er erklärte mir, dass es einen Fehler gegeben hätte, ein bedauerliches Missverständnis, das man jetzt aber nicht weiter breittreten müsste. Kein Wort zu niemandem. Allerdings hätte ich zwischenzeitlich meinen Job verloren, es hätte einen kleinen Personalüberschuss gegeben, dazu die Kreditklemme, das kannte man ja. Zum Abschied drückte er mir einen Briefumschlag mit zwanzig Riesen in bar in die Hand. Ich sollte mir nicht die Mühe machen, meinen Kram aus der Zentrale abzuholen. Meine Tage hinter dem Steuer waren Vergangenheit.
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Daily Record
4. Mai 2010
EXKLUSIV
DER ERSTE GIFTMORD DES CUTTERS: NIKOTIN!
Der Record hilft der Polizei auf die Sprünge
von Keith Imrie, Chefreporter
Sein sechstes Opfer brachte der Cutter mit einem tödlichen Gift um: flüssiges Nikotin in Reinform. Wie der Daily Record exklusiv enthüllen kann, tötete der verschlagene Serienmörder die 47-jährige Kassiererin Fiona Raedale aus Sommerston mit einer Überdosis der hochgiftigen Substanz, die binnen Minuten zum Tod führt. Die Angestellte starb vergangenen Samstagnachmittag an ihrem Arbeitsplatz in einer Filiale der landesweiten Supermarktkette Tesco, direkt vor den Augen der entsetzten Kunden.
Nach dem schrecklichen Tod Ms Raedales wurde der Supermarkt an der Maryhill Road für mehrere Stunden geschlossen. Sie hatte in aller Öffentlichkeit sterben müssen, als sie hinter ihrer Kasse saß und Wochenendeinkäufer bediente.
Damit hat der Cutter insgesamt sechsmal zugeschlagen. Seine Opfer waren der Glasgower Anwalt Jonathan Carr (37), der Buchmacher Billy Hutchison (58), der Kleinkriminelle Thomas Tierney (26), der Geschäftsmann Wallace Ogilvie (52), der Zahnarzt Brian Sinclair (32) und zuletzt Ms Raedale (s. Foto oben).
Die Polizei steht vor einem Rätsel: Wie ist es dem Cutter gelungen, der Kassiererin das tödliche Gift zu verabreichen? Es
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