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Und sie wunderten sich sehr

Und sie wunderten sich sehr

Titel: Und sie wunderten sich sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina-Maria Bammel
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mitbringen könnte …«
    »Er freut sich bestimmt auch so …«
    Ella steigt wieder ein, fährt das Auto aus der Parklücke, sieht Jette ein letztes Mal im Seitenspiegel und versucht, sich einen Henri dazu vorzustellen: Henri und Jette!
    Die Straßen der Stadt sind leer. Kein Geräusch nirgends. Auch Ella ist jetzt angekommen. Das Türenklappen am Auto ist Lärm mitten in der stillen Nacht. Alles so friedlich, denkt sie und räumt die unordentlich verteilten Habseligkeiten auf der Rückbank zusammen. Die Waschtasche greift sie auch. Komisch, dass sie viel leichter ist als heute Nachmittag. Kein Wunder: Innen fehlt die zugegebenermaßen große Parfumflasche.
    Na wenigstens begegnet Jette morgen ihrem Henri-Kind in neuem Duft.

|92| V
Tatsächlich: Euch ist heute der Heiland geboren
    Während die wirklich schreckliche Meldung die Medienrunde macht, dass auch in den Weihnachtstagen des vergangenen Jahres Babys im Schnee oder, eingepackt im Rollkoffer, vor einem Kongresszentrum gefunden wurden, frage ich mich, warum ein Stallkind, genauer Geburtsort wohl nie mehr bestimmbar, »Retter« heißen soll? Und wie es beanspruchen kann, zu bewirken, wonach es benannt ist? Was heißt eigentlich Rettung? Und wird die Geschichte vom Retter im Stall vielleicht offener für die heimlichen und offenen Heillosigkeiten dieser Zeit, wenn man sie im Licht der Rettungsgeschichten unserer Tage liest? Oder die Rettungsgeschichten unserer Tage im Licht der Weihnachtsgeschichte?

    Rettung, das erzählen die Blogger dieser Welt, geht doch eigentlich ganz anders: ein nüchterner Flugzeugpilot, so kühl wie Außentemperaturen auf 700 Metern Höhe. Er lässt das rettende Wunder geschehen – und die Welt schaut mit nur wenig Zeitverzögerung zu. So ruhig, als würde er eine Cola bestellen, hat er den Lotsen informiert: »Wir landen auf dem Wasser.« Wenig später sinkt die Maschine, kurz zuvor an den Triebwerken von Vögeln außer Betrieb gesetzt, auf den eiskalten New Yorker Hudson River. Und was dann folgt, nennen viele das »Wunder vom Hudson«. Alle Menschen an Bord werden gerettet, Mutter mit Baby inklusive. Zu gern möchte man doch wissen, wie deren Geschichte nach dem »Wunder« wohl weiter gehen wird! …
    Zufällige, an und für sich wunderentwöhnte Beobachter zwitschern dieses Rettungsereignis auf digitalem Weg |93| schneller in die Welt als jeder Journalist. Jeder kann dabei sein; ich auch. Mir geht es so wie dem Fluglotsen im Tower. Dem war unbegreiflich, was er da gehört hatte. Mir war unbegreiflich, was ich da im Internet gesehen hatte. Also: »Bitte wiederholen Sie das …«, antwortet der Fluglotse so geistesgegenwärtig wie auch überfordert: »Bitte wiederholen Sie …« So klingen Wunder. »Pardon, ich glaube, ich habe etwas an den Ohren … Was sagten Sie?« Und einmal mehr scheint zuzutreffen, dass Wunder das einzig Reale sind, außerhalb dessen es nichts anderes, »Realeres« geben könnte. So real, dass sie im Internet sichtbar, hörbar und nachlesbar sind.
    Zwischen dem Wunder vom Hudson River und dem Wunder von Bethlehem liegen Jahrtausende. Die Geschichten der Verwunderung sind alt.
    Ob die Hirten von damals auch diesen Satz zu hören bekamen: »Wiederholt das noch mal … Wer ist geboren?« Was sie zu sagen hatten, verwundert die Leute in dem besetzten, trostlosen Städtchen Bethlehem. »Sagt das noch einmal … Wen habt ihr gesehen … und wo? Einen neuen König? Ist das euer Ernst?« Situationen – auf der Grenze zwischen Leben und Tod – fordern einen nüchternen Kopf, so scheint es.
    Das begreifen wohl auch die Hirten. Sie halten sich gar nicht erst mit ausschmückenden Details auf. Keine Zeit. Sie müssen eilen. Darum muss die Information an sich genügen.
    »Wie bitte, sagen Sie das noch einmal!«: Der Heiland ist geboren. Die knappe Botschaft reicht hin, um die eigene Welt auf den Kopf zu stellen: »Wir landen auf dem Wasser – und zwar jetzt.« Muss man in solchen Momenten mehr wissen? – Vielleicht noch nicht mal dies, ob man tatsächlich richtig verstanden hat.
    Kurt Marti hat einmal die im Neuen Testament häufig erzählte Geschichte von Jesu Stillung des Sturms auf dem Wasser als Weihnachtsgeschichte gelesen und meint: »Im Grunde ist die Geschichte von dieser abenteuerlichen Bootsfahrt |94| eine Art Weihnachtsgeschichte: eine Weihnachtsgeschichte im Modell, unter Einbezug unserer Gegenwart und Zukunft. Weihnachten heißt doch: In Jesus von Nazareth steigt Gott zu uns Menschen ins Boot, von jetzt an

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