Und so verlierst du sie
schwangen, zog sie sich in sich zurück; ihre Mimik wurde immer knapper, bis nur noch ein angespanntes, verhaltenes Lächeln übrigblieb, das durch den Raum zu wandern schien, wie ein Schatten über die Wand. Wir Kinder wurden größtenteils ignoriert, bis auf einmal, als der erste Mann, Miguel, fragte, Könnt ihr beide so gut boxen wie euer Vater?
Sie sind gute Kämpfer, sagte Papi.
Euer Vater ist sehr schnell. Hat richtig flinke Fäuste. Miguel beugte sich vor. Ich habe mal gesehen, wie er einen Gringo fertiggemacht hat, er hat ihn geschlagen, bis er kreischte.
Miguel hatte eine Flasche Bermúdez-Rum mitgebracht; er und mein Vater waren betrunken.
Ihr geht jetzt in euer Zimmer, sagte Mami und berührte meine Schulter.
Warum?, fragte ich. Da sitzen wir nur rum.
So geht es mir zu Hause auch, sagte Miguel.
Mami durchbohrte mich mit ihrem Blick. Halt den Mund, sagte sie und schubste uns zu unserem Zimmer. Wie vorhergesagt saßen wir da und lauschten. Bei beiden Besuchen aßen die Männer sich satt, gratulierten Mami zu ihrer Kochkunst, Papi zu seinen Söhnen, und blieben anstandshalber noch eine Stunde lang da. Zigaretten, Domino, Klatsch und dann das unausweichliche Tja, ich muss dann mal los. Wir müssen morgen arbeiten. Sie kennen das ja.
Natürlich. Was kennen wir Dominikaner denn sonst?
Danach spülte Mami in der Küche leise die Pfannen und schabte an dem gebratenen Schweinefleisch herum, während Papi in kurzen Ärmeln auf der vorderen Veranda saß; die letzten fünf Jahre hatten ihn anscheinend gegen die Kälte immun gemacht. Als er hereinkam, duschte er und zog seinen Overall an. Ich muss heute Abend arbeiten, sagte er.
Mami hörte auf, die Pfannen mit einem Löffel auszukratzen. Du bräuchtest eine Arbeit mit geregelteren Zeiten.
Papi zuckte mit den Schultern. Wenn du glaubst, man bekommt so leicht eine Arbeit, such dir doch eine.
Sobald er aus der Tür war, riss Mami die Nadel von der LP und unterbrach Félix del Rosario. Wir hörten, wie sie vor dem Wandschrank Mantel und Stiefel anzog.
Glaubst du, sie verlässt uns?, fragte ich.
Rafa runzelte die Stirn. Könnte sein.
Als wir die Haustür hörten, kamen wir aus unserem Zimmer hervor und sahen, dass die Wohnung leer war.
Wir sollten ihr nachgehen, sagte ich.
Rafa blieb an der Tür stehen. Geben wir ihr eine Minute.
Was hast du denn?
Wir warten zwei Minuten, sagte er.
Eine, widersprach ich laut. Er drückte das Gesicht gegen die gläserne Terrassentür. Als wir gerade zur Haustür gehen wollten, kam sie zurück, keuchend und eingehüllt in Kälte.
Wo warst du?, fragte ich.
Spazieren. Sie ließ ihren Mantel neben der Tür fallen; ihr Gesicht war von der Kälte gerötet, und sie atmete schwer, als wäre sie die letzten dreißig Schritte gerannt.
Wo?
Nur bis zur Ecke.
Warum zum Teufel hast du das gemacht?
Ihr kamen die Tränen, und als Rafa ihr eine Hand auf die Taille legte, schlug Mami sie weg. Wir gingen wieder in unser Zimmer.
Ich glaube, sie dreht durch, sagte ich.
Sie ist nur einsam, sagte Rafa.
In der Nacht vor dem Schneesturm hörte ich den Wind vor unserem Fenster. Am nächsten Morgen wachte ich frierend auf. Mami fummelte am Thermostat herum; wir konnten das Wasser in den Rohren gurgeln hören, aber in der Wohnung wurde es nicht viel wärmer.
Geht einfach spielen, sagte Mami. Das lenkt euch ab.
Ist die Heizung kaputt?
Weiß ich nicht. Sie beäugte den Knopf argwöhnisch. Vielleicht springt sie heute langsamer an.
Keiner der Gringos spielte draußen. Wir saßen am Fenster und warteten auf sie. Nachmittags rief mein Vater von der Arbeit aus an; als ich mich meldete, konnte ich die Gabelstapler hören.
Rafa?
Nein, ich bin’s.
Hol mal deine Mutter.
Hier zieht ein richtiger Sturm auf, erklärte er ihr – sogar von meinem Platz konnte ich ihn hören. Ich schaffe es auf keinen Fall zu euch. Das wird übel. Vielleicht kann ich morgen kommen.
Was soll ich machen?
Bleibt einfach im Haus. Und lass die Badewanne volllaufen.
Wo willst du schlafen?, fragte Mami.
Bei einem Freund.
Sie wandte das Gesicht ab. Ist gut, sagte sie. Nachdem sie aufgelegt hatte, setzte sie sich vor den Fernseher. Sie sah mir an, dass ich sie wegen Papi nerven wollte, und sagte, Guck einfach deine Sendung.
Radio WADO empfahl zusätzliche Decken, Wasser, Taschenlampen, Vorräte. Wir hatten nichts davon. Was ist, wenn der Schnee uns begräbt?, fragte ich. Sterben wir dann? Müssen wir mit Booten gerettet werden?
Weiß ich nicht, sagte Rafa. Ich
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