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Und so verlierst du sie

Und so verlierst du sie

Titel: Und so verlierst du sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junot Díaz
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Einmal kam er herüber und zeigte mir einen Baseball, den er wohl gerade erst geschenkt bekommen hatte. Roberto Clemente, sagte er, aber ich baute weiter an meiner Burg. Seine Schwester wurde rot und sagte laut etwas, und dann ging Eric.
    Einmal war die Schwester allein draußen, und ich folgte ihr zu dem Feld. Hier und da zogen sich riesige Betonröhren durch den Schnee. Gebückt betrat sie eine der Röhren, und ich folgte ihr auf den Knien.
    Sie setzte sich im Schneidersitz hin und grinste. Sie zog ihre Hände aus den Fäustlingen und rieb sie aneinander. Weil wir vor dem Wind geschützt waren, folgte ich ihrem Beispiel. Sie zeigte mit einem Finger auf mich.
    Yunior, sagte ich.
    Elaine, sagte sie.
    Eine Weile blieben wir sitzen, in meinem Schädel schmerzte das Verlangen, mich zu verständigen, und sie pustete immer wieder auf ihre Hände. Dann hörte sie ihren Bruder rufen und krabbelte aus der Röhre. Ich kroch auch hinaus. Sie stand neben ihrem Bruder. Als er mich sah, rief er etwas und warf einen Schneeball in meine Richtung. Ich warf einen zurück.
    Es sollte kein Jahr dauern, bis sie weg waren. Bis alle Weißen weg waren. Nur wir anderen blieben übrig.

    Abends unterhielten Mami und Papi sich. Er saß auf seiner Tischseite, und sie beugte sich zu ihm und fragte, Willst du gar nicht mit den Kindern rausgehen? Du kannst sie nicht ewig so einsperren.
    Sie kommen bald in die Schule, sagte er und zog an seiner Pfeife. Und sobald der Winter nachlässt, will ich euch das Meer zeigen. Man kann es auch von hier sehen, weißt du, aber von Nahem ist es besser.
    Wie lange dauert der Winter noch?
    Nicht mehr lange, versprach er. In ein paar Monaten habt ihr das alles vergessen, und dann muss ich auch nicht mehr so viel arbeiten. Im Frühling können wir herumfahren und uns alles ansehen.
    Hoffentlich, sagte Mami.
    Meine Mutter kuschte nicht leicht, aber in Amerika ließ sie sich von meinem Vater unterbuttern. Wenn er sagte, er müsse zwei Tage am Stück arbeiten, sagte sie Ist gut, und kochte genug moro für ihn. Sie war deprimiert und traurig und vermisste ihren Vater und ihre Freunde, unsere Nachbarn. Alle hatten sie gewarnt, Amerika sei ein hartes Pflaster, wo sogar der Teufel was in die Fresse bekam, aber niemand hatte ihr gesagt, dass sie den Rest ihres Lebens eingeschneit mit ihren Kindern verbringen müsste. Sie schrieb einen Brief nach dem anderen nach Hause und flehte ihre Schwestern an, so bald wie möglich zu kommen. Unser Viertel ist leer, keine Freunde weit und breit. Und sie bat meinen Vater inständig, er möge doch seine Freunde mitbringen. Sie wollte sich über Nichtigkeiten unterhalten, mit jemandem reden, der weder ihr Kind noch ihr Mann war.
    Ihr seid alle noch nicht für Besuch bereit, sagte Papi. Guck dir doch mal das Haus an. Guck dir deine Kinder an. Me da vergüenza, wenn ich sehe, wie sie herumlümmeln.
    Über das Haus kannst du dich nicht beschweren. Ich putze doch die ganze Zeit.
    Und was ist mit deinen Söhnen?
    Meine Mutter begutachtete erst mich und dann Rafa. Ich hielt einen Schuh vor den anderen. Danach bekam Rafa den Auftrag, auf meine Schnürsenkel zu achten. Wenn wir hörten, wie unser Vater auf den Parkplatz einbog, rief Mami uns für eine kurze Kontrolle zu sich. Haare, Zähne, Hände, Füße. Wenn etwas nicht stimmte, versteckte sie uns im Bad, bis es in Ordnung gebracht war. Sie bereitete immer aufwendigere Abendessen zu. Sie schaltete sogar den Fernseher für Papi um, ohne ihn einen zángano zu nennen.
    Na gut, sagte er schließlich. Vielleicht funktioniert es ja doch.
    Es muss ja nichts Großes sein, sagte Mami.
    Zwei Freitage nacheinander brachte er einen Freund zum Abendessen mit, und Mami zog ihren besten Polyesteroverall an, während wir mit unseren roten Hosen, breiten weißen Gürteln und amaranthfarbenen Chams-Hemden herausgeputzt wurden. Wenn sie vor lauter Aufregung asthmatisch wurde, schöpften auch wir Hoffnung, dass sich unsere Welt zum Besseren verändern würde, aber diese Abendessen verliefen unangenehm. Die Männer waren Junggesellen und unterhielten sich abwechselnd mit Papi und glotzten Mami auf den Hintern. Papi schien ihren Besuch zu genießen, aber Mami war die ganze Zeit auf den Beinen, schaffte Essen an den Tisch, machte Bier auf und schaltete den Fernseher um. Zu Beginn der Abende war sie ungezwungen und offen, runzelte ebenso leicht die Stirn, wie sie lächelte, aber wenn die Männer ihre Gürtel lockerten und ihre Zehen auslüfteten und ihre Reden

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