Und stehe auf von den Toten - Roman
gestern nicht mehr gesehen«, erwiderte er, bevor er sich an seine Frau wandte. »Weißt du, wo er ist, meine Liebe?«
»Nein, auch ich habe ihn heute noch nicht zu Gesicht bekommen«, antwortete die Gräfin.
»Unerhört für einen Domestiken«, schimpfte Stamitz. »Der Kerl wird entlassen.«
»Bevor Sie das tun, stellen Sie ihn bitte unter Arrest, wenn Sie ihn sehen. Wir holen ihn sofort ab«, mischte Prospero sich wieder ein.
Die Gräfin ließ ein belustigtes Lachen hören. »Hat er also doch etwas verbrochen, der ewige Prahlhans«, spottete sie. Cavalcanti wollte schon antworten, doch Prospero fuhr ihm in die Parade. »Bedaure, aber wir haben so viel gesagt, wie wir sagen konnten, Signora!«
Der Präfekt verzog zornig das Gesicht. Seine Augen wurden stechend klein vor Hass. Prospero ignorierte ihn. »Sagt Ihnen der Name David von Fünen etwas?«, fragte er den Gesandten.
»Nein. Sollte er?«, gab der Graf gelassen zurück.
»Er wurde beim Betreten des Palastes beobachtet.«
»Junger Mann, wissen Sie, wie viele Leute täglich in den Palast kommen? Bittsteller, Lieferanten... wenn wir die alle empfangen wollten, müsste der Tag doppelt so lang sein.«
»Ist dieser David von Fünen auch in die schrecklichen Verbrechen verwickelt?«, erkundigte sich die Gräfin.
»Das wissen wir noch nicht«, antwortete Prospero kurz angebunden und wandte sich erneut dem Grafen zu. »Eine letzte Frage, Exzellenz, auch wenn sie Ihnen vielleicht merkwürdig vorkommt. Was können Sie mir über Vampire sagen? Hier in Rom hat kaum einer je von diesen Wesen gehört, doch sie sollen gerade im Osten und auf dem Balkan ihr Unwesen treiben.«
»Da haben Sie Recht. Sie sind in Mähren, im Banat, in Istrien
und Dalmatien ein wahre Landplage. Der Kaiser will die Vorkommnisse untersuchen lassen. Aber ich muss Sie leider enttäuschen, ich bin noch keinem begegnet. War’s das?«
»Ja, euer Exzellenz.« Prospero senkte als Zeichen der Ehrerbietung kurz den Kopf vor dem Gesandten, dann verbeugte er sich betont artig vor der Gräfin und ließ sich von einem Diener den Weg in den Keller zeigen. Als er ging, spürte er den eiskalten Blick der Gräfin, der sich ihm voller Hass in den Nacken bohrte.
48.
W ie ein Schraubstock umschlossen zwei starke Arme ihren Oberkörper und rissen sie nach hinten, dann knallte jemand die Tür zu und schob den Riegel vor. Cäcilia wehrte sich, so gut sie konnte, strampelte mit den Beinen, versuchte mit den Händen um sich zu schlagen, zu beißen und zu kratzen, aber der Kerl, der sie festhielt, war einfach viel stärker als sie, ein viereckiges Stück Muskel.
Er brachte sie zu ihrer Zelle zurück und sprach wie immer kein Wort mit ihr. Sie versuchte noch einmal Kontakt mit ihm aufzunehmen. Aber entweder war er taub oder man hatte ihm das Sprechen mit den Gefangenen strikt verboten. Ihr fiel auf, dass eine frische Wunde sein Gesicht verunstaltete. Bevor er Cäcilia in den Käfig stieß und ging, brachte er eine Kugel, wie sie Schwerverbrecher trugen, an ihrem rechten Fuß an. Damit würde sie nicht mehr fliehen können.
Mutlos ließ Cäcilia sich auf die Pritsche sinken. Vor ihr stand ihre Mahlzeit: Pasta, Blutwurst, Wasser und Rotwein. Wieder Zeit für einen Strich, dachte sie sarkastisch. Dann brach sie in Tränen aus.
Nach einiger Zeit beruhigte sie sich und suchte das Steinchen. Als sie es gefunden hatte, umschloss sie es fest und zärtlich mit den Fingern, als sei dieser Kiesel ein Smaragd, ein Diamant, das Wertvollste, was sie auf der Welt besaß.
Die vereitelte Flucht quälte sie. Mühsam kämpfte Cäcilia gegen die Hoffnungslosigkeit an, die sie zu verschlingen drohte. Dann überfiel sie noch eine Traurigkeit ganz anderer Art.
Sie hatte ausgeträumt. Der Cavaliere von Fünen, den
sie sich die ganze Zeit als Retter vorgestellt hatte, steckte mit ihren Entführern unter einer Decke, wenn er nicht sogar der eigentliche Drahtzieher des ganzen abscheulichen Verbrechens war. Sie musste sich eingestehen, dass sie die Kunst, Menschen zu durchschauen, auf die sich ihr Vater so trefflich verstand, nicht von ihm geerbt hatte. Ihr Blick fiel auf die schwere Eisenkugel. Sie hatte die Chance zur Flucht verspielt. Erneut schossen die Tränen aus ihren Augen. Sie weinte so hemmungslos, dass ihr eigenes Schluchzen sie zu ersticken drohte.
Es gab keine Hoffnung mehr. Man würde sie töten wie das arme Mädchen, dessen Sterben sie belauscht hatte. Sie warf das Kieselsteinchen in den Abort.
49.
D ie Landschaften
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