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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser./Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen./und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich...«
    Prospero schmerzte der Anblick seines Freundes. Er saß an seinem Schreibtisch auf der Kante seines harten Stuhles und hatte die Bibel vor sich. Nun blickte er müde, aber gefasst zu Prospero, ohne sich zu unterbrechen. »Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde./Du salbest mein Haupt mit Öl...
    »Es ist zu früh für die Psalmen der Trauer!«, fiel Prospero ihm ins Wort.
    »Es ist nicht zu früh. Du weißt doch: Alles hat seine Zeit.«
    »Eben«, beharrte Prospero. »Und jetzt ist die Zeit zu handeln, nicht zu trauern. Morgen, Punkt 11 Uhr, bist du im Archiv der Ritenkongregation im Quirinalpalast. Wir benötigen dich dringend für eine Expertise. Es geht darum, eine
bösartige Fälschung nachzuweisen. Lieber, bester Freund, dein Sachverstand wird gebraucht. Lass mich um Himmels willen nicht im Stich!«
    Velloni schaute den Hilfsauditor unschlüssig an, dann straffte er sich. »Wie könnte ich? Ich werde natürlich da sein. Du kannst dich auf mich verlassen.«
    »Ich gehe jetzt zu Spigola! Bin gespannt, was der alte Fuchs herausgefunden hat. Ihr beide aber macht euch unverzüglich auf den Weg! Geht alle Hospitäler der Stadt ab, lasst keines aus, und schaut euch alle unbekannten Toten, Kranken und Verletzten an, die in den letzten drei Tagen eingeliefert wurden!«
    Valenti schluckte. »Aber...«
    Prospero nahm keine Notiz von ihm, sondern ergriff Vellonis Arm. »Ich weiß, dass ich euch eine Reise durch die Kreise der Hölle zumute, aber es kann sein, dass sie irgendwo mit einer Blessur liegt, sich aber nicht erinnern kann, wer sie ist. Wo sollen wir sie denn suchen, wenn nicht dort zuallererst?«
    »Natürlich, natürlich«, stimmte Velloni schwach zu. Seine blassen Wangen röteten sich plötzlich. Leben drang in ihn. »Du hast Recht. Sie kennt sich ja in Rom nicht aus, meine süße kleine Schwester. Sie liegt vielleicht in einem Spital und wartet auf mich, weil sie die Adresse vergessen hat.« Er stieß derb Valenti an, dass der vom Stuhl rutschte. »Dass ich Trottel nicht gleich darauf gekommen bin! Komm, wir müssen los.«
    Der Graf rappelte sich auf und klopfte sich den Justacorps ab. »Meinst du, dass die Konfrontation mit diesem gesammelten Elend unserem Freund hilft«, fragte er Prospero leise.
    »Nichts und niemand hilft uns, wenn wir es nicht tun!«,
antwortete der. Auch ihm war die Gefahr bewusst, die darin lag, den labilen Freund mit dem Leid der Stadt zu konfrontieren. Aber in seinem Zimmer würde Velloni mit Sicherheit bald wahnsinnig werden. Das konnte nicht mehr allzu lange dauern, liefen sich doch seine Gedanken bereits an seinen Schuldgefühlen wund. Und wenn das Denken erstmal seine Orientierung verlor, dann würde sich der in der Wohnung lagernde Dämmer zu Dämonen verdichten. Hätten diese unreinen Geister erstmal seinen Verstand in den Klauen, dann wäre es mehr als fraglich, ob man Vellonis Verstand ihnen wieder entreißen und ins Licht zurückführen könnte. Zudem mussten sie in der Tat herausfinden, ob Cäcilia in eines der Krankenhäuser der Stadt eingeliefert worden war. In welchem Zustand auch immer.
    Er verabschiedete sich rasch von den beiden. Seine erneute Ermahnung, sich unverzüglich auf den Weg zu machen, erwies sich als überflüssig, da der Philologe jetzt selbst drängelte. Dann eilte Prospero zu seiner Verabredung mit Spigola nach Campitelli. Wieder trieb es ihn durch die halbe Stadt - und das bei den sintflutartigen Niederschlägen. Doch die Aussicht auf Neuigkeiten ließ ihn fast Frieden schließen mit dem schlechten Wetter.
    Diesmal wählte er den Weg durch Trastevere, über die Via dei Penitenzieri. Von dort bog er in die Via della Lungaretta. Ein paar Kutschen und wenige Dienstboten kamen ihm entgegen oder überholten ihn. Wer es sich erlauben konnte, blieb lieber zu Hause.
    Plötzlich überfiel ihn die Erinnerung an jenen frühen Morgen vor über einem halben Jahr, als er mit Deborah hier entlanggegangen war. Es war das erste Mal, dass sie sich nähergekommen waren.

    Er versuchte die Erinnerung abzuschütteln und sich auf seinen Besuch bei Spigola zu konzentrieren. Hoffentlich hatte der alte Untersuchungsrichter etwas herausbekommen, das ihn weiterbringen und seine Gedanken im Zaum

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