Und stehe auf von den Toten - Roman
niemals über den Verlust ihres Sohnes Angelo hinwegkommen.
Sicher, Prospero Lambertini hatte für Gerechtigkeit gesorgt. Aber welchen Trost stellte das schon dar, wenn einem ein Kind genommen wurde? Es diente lediglich dazu, dass die Dinge nicht völlig aus dem Lot gerieten.
Prospero betrat ein recht großes längliches Zimmer. Vermutlich war es, sah man von einem kleinen Verschlag ab,
der die Küche beherbergte, der einzige Raum der Wohnung. Renatas Mann erhob sich von seinem Schemel, kam auf ihn zu und gab ihm etwas unbeholfen die Hand.
»Essen Sie doch mit uns zu Abend, Dottore«, lud Renata ihn ein.
Und ihr Mann drängte sogleich: »Lassen Sie sich nicht lange bitten, Monsignore. Sie sind uns der liebste Gast.«
In Prosperos Nase stieg der verführerische Duft von Pasta und Fisch, die in der Pfanne gebraten wurden. Ein einfaches Fischeressen.
»Es riecht so gut, da kann ich nicht nein sagen. Aber ich warne dich Renata, ich habe den ganzen Tag noch keine Zeit gefunden, etwas zu essen.«
»Umso besser«, meinte der Fischer vergnügt. Dann zog er ihn zu dem großen runden Tisch. »Während Renata das Essen aufdeckt, sagen Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann? Ich bin Ihr ewiger Diener!«
»Sei nicht mein Diener, Giovanni, sondern sei mein Freund. Darum bitte ich dich. Und sag du zu mir!« Der Fischer nickte. Man sah ihm an, dass er sich geehrt fühlte.
»Zuvor muss ich dich aber bitten, niemandem etwas über unser Gespräch zu erzählen.«
»Ich schwöre es bei der Jungfrau Maria!«
»Ein siebzehnjähriges Mädchen, die Tochter eines Notars, ist verschwunden. Sie ist nicht die Erste und wird auch nicht die Letzte sein, wenn wir keinen Erfolg haben. Hör dich doch bitte bei den anderen Fischern um, ob einem von euch irgendetwas Merkwürdiges, nicht Alltägliches, im Fluss oder am Ufer aufgefallen ist. Ob ihr etwas in euren Netzen hattet, was dort nicht hingehört. Alles, hörst du, alles kann wichtig sein. Selbst das kleinste und scheinbar belangloseste Detail.«
Der Fischer nickte. »Sie können...« Prospero warf ihm einen strafenden Blick zu, und der Fischer errötete leicht, bevor er sich berichtigte: »... du kannst auf mich zählen, Dottore.«
Prospero lächelte, dann neigte er sich vertraulich zu ihm vor. »Noch eins, Giovanni, sei vorsichtig. Wir haben es mit einem Teufel zu tun. Riskiere nichts. Vor allem stelle keine Nachforschungen an. Am besten ist es, wenn du wie nebenbei in einem Gespräch über anderes fragst. Fang wegen dieses Themas keine Unterhaltung an, sondern prahle damit, dass du einen Goldring oder was dir sonst noch an Ungewöhnlichem einfällt, gefunden hast, um die anderen dazu zu verleiten, mit ihren ungewöhnlichen Funden anzugeben.«
Giovanni lächelte breit über sein wettergegerbtes Gesicht und lachte dann vergnügt. »Ich habe dich verstanden, Dottore, ich soll einen Schwatz halten, wie er unter Fischern üblich ist.« Prospero stimmte in Giovannis Lachen ein. »Genau das meine ich.«
In diesem Moment kam Renata in den Raum, mit einer großen Schüssel voller dampfender Spaghetti, zwischen denen sich Fischstücke rekelten. Die Kinder, die sie mit in die Küche genommen hatte, folgten ihr.
»Na, ihr amüsiert euch ja prächtig. Ich hoffe, dass ihr nicht über Dritte herzieht. Das wäre eine Sünde.«
»Wo denkst du hin, Renata. Ich bin ein Geistlicher und kenne die Gebote des Herrn«, erwiderte Prospero mit gespielter Empörung.
»Einen Wein?«, fragte Giovanni. Renata hob warnend die Hände: »Aber er ist sehr einfach, Dottore, er stammt vom Campidoglio.«
»Was euch schmeckt, wird auch mir munden.«
Während Renata den Wein holte, raunte der Fischer seinem Gast zu: »Komm morgen Nachmittag vorbei. Vielleicht habe ich dann schon etwas für dich.«
»Sprich das Tischgebet, Giacomo!«, wies Renata ihren etwa siebenjährigen Sohn an, schaute dann aber noch einmal fragend zu Prospero: »Wenn der Signor Dottore nicht will.«
Doch der Dottore wollte nicht. »Wer könnte es besser als Giacomo?«
15.
A m darauffolgenden Tag regnete es immer noch in Strömen, und der Tiber schwoll unaufhaltsam und bedrohlich an. Prospero Lambertini stieß kurz vor 11 Uhr morgens völlig durchnässt im Eingang des Quirinalpalastes auf den Grafen Silvio Valenti Gonzaga und den Philologen und Bibliothekaren Velloni, die nicht weniger vor Nässe troffen. Sie berichteten ihm auf dem Weg zum Archiv der Ritenkongregation kurz und bündig, dass sie zwar noch nicht alle Hospitäler besucht, aber
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