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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Auftrages begriffen. In der ganzen Verzweiflung und der Angst um seine Schwester konnte er endlich tätig werden auf seinem ureigensten Gebiet, denn niemand verstand sich besser auf die Geheimnisse der schriftlichen Überlieferungen als der Philologe. Die vertrauten Arbeitsweisen seines Gehirns drängten die ihn erstickenden Gefühle weg. Bei der Suche nach seiner Schwester waren endlich seine besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse gefragt. Er war nicht länger der nutzlose Intellektuelle, der Bücherwurm, der weltfremde Narr, der, wenn es ernst wurde, nur allen im Wege stand. Es kam nun auch auf ihn an. Prospero sah den Ehrgeiz in Vellonis Augen blitzen.
Darauf hatte er gesetzt. Er würde das beste Dossier über Vampire bekommen, das jemals ermittelt und zusammengestellt worden war.
    »Unterhalte dich mit Wassilij. Er ist mit Vampiren in Kontakt gekommen«, riet Prospero dem Bibliothekar.
    »Habe nur gesehen Dörfer, wo Vampir wüten!«, wehrte der Skopze ab.
    »Ich bitte dich. Erzähl Velloni alles, was du darüber weißt. Lass nichts aus. Danach bist du frei und kannst gehen, wohin du willst.«
    »Bolschoje spassibo«, antwortete Wassilij.
    »Was so viel wie danke heißt«, erklärte Velloni. Prospero neigte sich zu seinem Freund und flüsterte ihm auf Lateinisch ins Ohr: »Finde außerdem heraus, was ein Skopze ist. Der da ist nämlich einer. Und was der Ausdruck >das weiße Pferd reiten< bedeutet.«
    Der Philologe bat den Wirt um Papier und Tinte und um einen ruhigen Ort, an dem er den Russen befragen konnte. Gioacchino führte ihn in sein Studiolo, in dem er für gewöhnlich seine Abrechnungen machte.
    Prospero wandte sich nun Valenti zu, berichtete ihm von dem seltsamen Österreicher im Kerker und bat den Grafen, Erkundigungen über den Mann einzuziehen. Vielleicht ergäbe sich dabei auch eine Gelegenheit, den Gesandten des Kaisers unauffällig über die Gerüchte auszuhorchen, denen zufolge Vampire ihr Unwesen in den habsburgischen Landen trieben.
     
    Der Hilfsauditor aß die Suppe auf, ließ sich zur Stärkung noch ein Glas Rotwein munden und wollte schon aufbrechen, als ihn Gioacchino aufhielt.
    »Du kannst gehen, mein Sohn, aber Pepe nimmst du mit.«

    »So gefährdet bin ich nicht. Aber ich sage dir Bescheid, wenn ich Schutz benötige.«
    Zuerst zog es ihn nach Hause, um sich der Kleider des Gastwirtsohnes zu entledigen, denn in diesem Aufzug konnte er unmöglich dem Polizeipräfekten von San Angelo unter die Augen treten.
    Auf dem Weg nach Trastevere würde er aber an der Via Giulia vorbeikommen. Er beschloss, Giovanni einen Besuch abzustatten. Vielleicht gab es bei den Fischern Neuigkeiten? Ohne es zu wissen, geschweige denn, es zu beabsichtigen, hatte Ganieri, als er ihn in den Kerker werfen ließ, ihm sogar einen Gefallen getan, denn er hatte ihn mit Informationen versorgt. Wenn er von den Fischern genauso viel erfahren würde, dann wüchse ihm langsam Boden unter den Füßen. Er konnte den Teufel zwar noch nicht sehen, aber er begann ihn zu spüren. Und das freute und beunruhigte ihn gleichermaßen, denn er wusste: Wenn er selbst Witterung aufnahm, dauerte es nie lange, bis er umgekehrt auch von dem alten Feind wahrgenommen wurde und in sein Visier geriet. Ein tödlicher Kampf stand kurz vor seinem Beginn, bei dem Jäger und Gejagter ständig wechseln würden. Wie hieß sein Feind? Luzifer? Beelzebub? Satan? Vampir? Wer stand ihm gegenüber?
    Das Auge des Feindes, das konnte Prospero Lambertini fühlen, hatte sich bereits auf ihn gerichtet. Für einen Rückzug war es nun zu spät. Einer musste siegen und der andere verlieren.

23.
    G raf Sylvio Valenti Gonzaga, der sein Priesterhabit noch nicht wieder angelegt hatte und immer noch wie ein Aristokrat gekleidet war, beschloss, keine Zeit zu verschwenden und dem Botschafter des Kaisers, Graf Berthold von Stamitz, gleich einen Besuch abzustatten. Ein Diener führte ihn in den Audienzsaal des Palastes, in dem der Gesandte der österreichischen Habsburger residierte. Fast gleichzeitig kam der alte Diplomat durch die Tür auf der gegenüberliegenden Seite. Valenti erstaunte die Eile nicht, denn einen Angehörigen seiner Familie ließ man nun mal nicht warten. Schließlich war eine Gonzaga die Stiefmutter des Kaisers Leopold gewesen.
    »Ah, mein lieber Valenti, schön, dass Sie mich besuchen. Ich erinnere mich gut an Ihren Vater, mit dem ich zu mancher Jagd ausgeritten bin. Waren das schöne Zeiten! Die Gicht verdirbt mir den ganzen Spaß und nicht nur

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