Und stehe auf von den Toten - Roman
aggressiv war diese Lust. Er wusste: Diese Frau würde ihn völlig enthemmen und über Grenzen jagen, von deren Existenz er heute noch nicht einmal zu träumen wagte.
Er schlug kurz die Augen nieder und setzte ein höfliches Lächeln auf. Sie kräuselte leicht die vollen Lippen. In ihren Augen blitzte Triumph auf. Sie hatte gewonnen. Er hatte sich erhitzen lassen. War es etwa möglich, die Lust kalt zu genießen? Mit kühler Berechnung brachte die Gräfin seine Gefühle zum Sieden. Was war diese Frau nur, fragte sich Valenti. Und ein zweiter, ein unheilvoller Gedanke gewann in ihm jetzt die Oberhand. Er verlangte Revanche.
Diesmal hatte sie gesiegt, weil sie ihn überrumpelt hatte, doch das nächste Mal wollte er es sein, der den Sieg davontrug. Der Höhepunkt der Lust war kurz, doch siegen würde, wer das Vorspiel anheizte und es gleichzeitig vollbrachte, keine eigene Schwäche zuzugeben. Sie hatte ihm den Fehdehandschuh hingeworfen, und er hatte ihn aufgehoben.
Valenti dankte dem Grafen Stamitz und natürlich auch der Gräfin, wenngleich er bedauerte, weitersuchen zu müssen, was den Reitlehrer für seine Schwester betraf. Der Gesandte hob bedauernd die Schultern. Die Gräfin legte ihre Hand in einer aufreizenden Geste voller Sinnlichkeit auf den Oberarm ihres Mannes.
»Berthold, ich glaube fast, der Graf überschätzt meine
Reitkünste und meint, dass ich keines Lehrers mehr bedarf. Es ist nicht böser Wille, sondern die schiere Not, dass ich Poelschau nicht abtreten kann. Erlaube, dass ich ihn von meiner Lauterkeit überzeuge.«
»Nur zu, wenn der junge Abate Zeit für einen Ausritt hat?«
»Der Herrgott hat ihm vielleicht die Frauen, aber sicher nicht das Reiten verboten«, stichelte sie zweideutig.
»Gewiss nicht«, antwortete Valenti nun kurz angebunden.
»Aber meine Liebe«, wandte der Graf ein, »das Reiten im Regen ist nicht jedermanns Sache. Man holt sich leicht den Tod.«
»Fürchten Sie den Regen, Graf?«, fragte sie, und ihre Augen blitzten so spöttisch, dass er sie am liebsten am Schopf gepackt hätte.
»Ich fürchte nichts, Gräfin«, antwortete Valenti sachlich.
»Brav - eine Antwort, wie sie nur ein Gonzaga geben kann«, kommentierte Stamitz, wobei Valenti nicht ausmachen konnte, ob es ernst oder ironisch gemeint war. Aber er wollte ohnehin nur noch weg, er hatte keine Lust mehr, weiter vorgeführt zu werden. Er kannte die Geschichten, die über junge Aristokratinnen kursierten, die sich von Reitlehrern und Stallburschen beschlafen ließen, während ihre zwar impotenten, aber immer noch geilen Männer zuschauten. So kam er sich vor. Als ob er zum Reitknecht degradiert werden sollte. Sie hatte ihn gedemütigt, sein Stolz verlangte Rache. Die Gräfin klatschte jetzt, offensichtlich zufrieden mit sich, wie ein kleines Mädchen in die Hände und rief erfreut aus: »Gut, morgen gegen 11 Uhr. Möge es regnen oder schneien oder die liebe Sonne scheinen.« Dann fügte sie an ihren Mann gewandt hinzu: »Ein Ausritt mit einem
tugendhaften Priester, wie es der Graf ist, wird meiner armen Seele gut tun. Pax vobiscum - et cum spiritu tuo.«
»Die Gnade unseres Herren, Jesus Christus, wird mit Ihnen sein. Amen.« Valenti verneigte sich zum Abschied und ging.
Als wäre der Besuch nicht schon verwirrend genug gewesen, stieß er in der Tür auf David von Fünen, den er hier nicht erwartet hatte. Der Sohn des Rabbiners warf ihm einen kalten Blick zu, bevor er an ihm vorbei das Innere der Gesandtschaft betrat. Valenti sah dem Rivalen nach und beobachtete erstaunt, wie er den Dienern, die sich vor ihm verbeugten, kurz zunickte und dann weiterging, als sei er im Palast zu Hause. Deborahs Bräutigam schien sich hier bestens auszukennen.
24.
A uf dem Esstisch des Fischers Giovanni lag ein nasser, unansehnlicher Schleier, der voller Gras und Dreck und alles in allem von schmutzig grüner Farbe war. Der Schleier hatte sich mit einem künstlichen Haarkranz verheddert. Etwas glitzerte darin. Eine kleine Perle. Sie weckte Prospero Lambertinis Aufmerksamkeit.
»Wegen dem Ding hat Carlo das Zeug herausgezogen. Die muss ein Vermögen wert sein«, sagte Giovanni, der Prosperos Blick gefolgt war.
»Sieht ganz so aus. Wo hat er sie gefunden?«
»In Ponte. In der Nähe von Tordinona«
»Wann?«
»Vorgestern.«
»Warum hat er sie noch nicht verscherbelt?«
»Aus Angst. Er wollte keine Scherereien bekommen. Wer weiß, wem die gehört.«
Der Hilfsauditor verstand die Angst des Fischers. Eine so reiche Beute
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