Und stehe auf von den Toten - Roman
Pulcinellenkostüm aufbewahren würde, und wenn das Mädchen zurückkäme, um das Kleid im Tausch mit dem Kostüm wieder abzugeben, würde der Signor von Fünen einen Teil des Geldes zurückerhalten.
»Sie kam aber nicht zurück.«
»Nein.«
»Und der Cavaliere?«
»Sagte mir, dass sie mit der teuren Garderobe durchgebrannt sei.«
»Hat Sie das nicht verwundert?«
»Verwundert? Ich habe an meiner Menschenkenntnis gezweifelt, Dottore. Ich habe das Mädchen nämlich für ehrbar gehalten. Nicht für eine solche, Sie wissen schon, was ich meine.«
»Sie haben sich nicht getäuscht. Sie ist ehrbar.«
Der Modehändler wies erschrocken auf die Fundstücke. »Ist ihr denn etwas Schlimmes widerfahren?«
»Wir wissen es nicht«, antwortete Prospero abwesend. Seine Gedanken überschlugen sich. Der Prager Rabbinersohn also. Wieso bändelte er kurz vor seiner Hochzeit mit einem wildfremden Mädchen, mit Cäcilia, an? Wer war dieser David von Fünen wirklich? Steckte er womöglich hinter Cäcilias Entführung?
Und dann traf ihn mit voller Wucht der Gedanke, dass Deborah vielleicht in Lebensgefahr schwebte.
25.
S ie waren gekommen, um sie abzuholen. Zwei kräftige Kerle, die in ihren Bewegungen an Paviane erinnerten, schleppten Cäcilia einen dunklen Gang entlang. Sie zwang sich trotz aller Angst, auf den Weg zu achten. Vielleicht gelang es ihr herausfinden, wo sie war. Obwohl die Wahrscheinlichkeit gering war, denn sie kannte sich in Rom nicht aus. Aber das spielte keine Rolle. Solange sie aufmerksam blieb, bestand Hoffnung, einen Weg zur Flucht zu finden. Sie durfte sich nur nicht von der Panik, die langsam die Wirbelsäule hochkrabbelte, die Sinne vernebeln lassen.
Am Ende des dunklen Ganges flackerte Licht und beschwor die unheimliche Vorstellung einer unterirdischen Schmiede in ihr herauf. Sie erreichten einen Saal, in dem Wasserdampf waberte und ihr die Sicht erschwerte. Wo war sie nur hingeraten? Existierte das alles wirklich oder verlor sie langsam, aber sicher den Verstand. Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich unser! Sie wunderte sich, dass sie sich ausgerechnet jetzt an dieses alte Gebet erinnerte. Hoffte sie wirklich noch, dass der Cavaliere David von Fünen kommen und sie retten würde? Sie zwang sich zur Aufmerksamkeit und versuchte, ihre Gefühle zu unterdrücken. Die konnten ihr am allerwenigsten helfen.
Ihre Augen gewöhnten sich allmählich an die Umgebung. In der Mitte des Saales loderte ein Feuer in einer großen runden Esse. An den Längsseiten des Raumes befanden sich Kamine, in denen ebenfalls Feuer prasselten. Es erstaunte sie, dass sich nicht nur über den Kaminen, sondern auch über der Esse ein Rauchabzug befand. Die Feuerstellen erwärmten die roten Klinker des Fußbodens. Überall
schienen Bronzekessel mit Wasser im Boden eingelassen zu sein. Diese waren die Quellen des Dampfes und des feuchtwarmen Klimas. Wie in des Teufels Rachen, dachte sie erschrocken.
Rechts und links an den Wänden erkannte sie Fresken, die von Reliefbändern eingefasst waren. Auf den Wandmalereien hielten sonderbare schwarze Wesen mit rotglühenden Augen Rat. Sie glichen Menschen, ähnelten aber gleichzeitig auch Fledermäusen. Das Bild zu Cäcilias Linken zeigte eine Frau, die sich ekstatisch aufbäumte. Obwohl sie halbnackt war, erinnerte sie Cäcilia an die heilige Theresa, die Gian Lorenzo Bernini erschaffen und die sie am Sonntag in der Kirche Santa Maria della Vittoria, keine zehn Minuten vom Quirinalpalast entfernt, gemeinsam mit ihrem Bruder betrachtet hatte. Er hatte ihr verraten, dass eine Vision der heiligen Theresa von Avila den göttlichen Bildhauer zu dieser Plastik inspiriert hatte. In der Vision der Heiligen stand ein heiterer Engel mit einem langen goldenen Pfeil in der Hand vor ihr, dessen Spitze aus Feuer war. Doch auf dem Wandgemälde näherte sich anstelle des Engels ein junger Mann mit Feueraugen der halbnackten Frau. Seine Blicke schienen die Frau zu durchbohren. In ihren Augen fand sich Schmerz, aber auch Lust. Diese Gleichzeitigkeit verstörte Cäcilia. Es bestand kein Zweifel daran, dass der Mann der Frau Leid zufügen wollte. Das Verwirrende war, dass die Frau auf dem Gemälde sich danach zu sehnen schien und sich ihrem Peiniger bereitwillig darbot. Wie hatte Cäcilias Bruder die heilige Theresa zitiert: »Der Schmerz war so stark, dass ich klagend aufschrie. Doch zugleich empfand ich eine so unendliche Süße, dass ich dem Schmerz ewige Dauer wünschte.«
Diese Worte hatten sich ihr
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