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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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eingeprägt, weil sie ihren
Sinn nicht verstanden hatte, dennoch aber von der Gewalt der Vision ergriffen worden war. Auch das Gemälde vor ihr strahlte eine Gewalt aus. Ja, reine Gewalt, nichts anderes war es, was der Maler auf diesem Bild festgehalten hatte. Was sie sah, war keine Kunst wie die Skulptur Berninis, sondern das Leben, ein fremdes, dunkles Dasein, von dem sie bisher nichts gewusst hatte und das sie auch lieber nicht kennenlernen wollte. Cäcilia erschauerte. Der junge, bleiche Mann war kein Engel, sondern der Teufel, und kein himmlisches, sondern ein rein körperliches Verlangen hielt die halbnackte Frau in seinem Bann. Schlagartig überfiel Cäcilia die Erkenntnis, dass sie sich in der Hölle befinden musste, im Erdinnenraum der Sünde. Sie rang um Fassung und betete:
    Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.
    Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona nobis pacem.
    Lamm Gottes, du trägst die Sünde der Welt, erbarme dich unser.
    Lamm Gottes, du trägst die Sünde der Welt, gib uns deinen Frieden.
    Und wenn es mein letzter Weg ist, oh Herr, lass mich nicht schwach werden. Amen.

26.
    P rosperos hatte sich von Giuseppe Romano neue Kleidung ausgeborgt, wie üblich schwarze Hose, weißes Hemd, dunkler Justacorps, Dreizack. Die Sorge trieb ihn zu Deborah. Möglicherweise lebte sie in unmittelbarer Nähe eines Verbrechers. Oder eines Vampirs? Das Schlimmste war, dass er die Gefahr nicht definieren konnte.
    Beim Anblick des Palastes der Cenci, der dem Ghetto gegenüberlag, beschloss er trotz seiner Eile, dem Polizeipräfekten von San Angelo einen Besuch abzustatten. Er musste einfach mehr wissen.
    Als Antwort auf sein Pochen vernahm er das heisere Bellen eines Hundes. Durch das wütende Gekläff drang eine bellende Stimme. »Kusch, Bambino.« Dann hörte er, wie der Riegel zurückgeschoben wurde, und eine Bohnenstange in der Uniform der Sbirren und mit nur etwa drei Haaren auf dem Kopf öffnete das Tor. Bemerkenswert an der faden Physiognomie waren ansonsten nur die extrem großen Nasenlöcher, ein einziger Steinbruch. Prosperos Blick fiel auf den gelblichen Hund, der ihm bis zu den Kniekehlen reichte und ihn mit gebleckten Zähnen anstarrte.
    »Was wollen Sie?«, kläffte der Polizist.
    »Ich bin der Auditor der Sancta Rota Romana, Dottore Prospero Lambertini, und ich verlange, unverzüglich den Polizeipräfekten des Rione San Angelo zu sprechen.« Ein wenig angemaßt, aber manchmal erforderte die Situation eben die Unterschlagung der kleinen Vorsilbe »Hilfs-«.
    »Der ehrenwerte Signore Cavalcanti empfängt heute niemanden mehr.«
    »Es eilt, ein Notfall.«

    »Kommen Sie morgen wieder.«
    Die Bohnenstange wollte die Tür schließen, doch Prospero hatte seinen Fuß bereits dazwischengestellt. Der Hund knurrte böse.
    Prospero hasste diese Rolle, aber er wusste nur zu gut, dass man ihn auch morgen abweisen würde. Wenn er verhindern wollte, dass man künftig auf ihn herabsah, dann musste er jetzt seine Autorität durchsetzen. Viel zu viele Menschen ähnelten in ihrem Verhalten leider den Hunden. Bevor man mit ihnen vernünftig reden konnte, musste man ihnen zeigen, wer das Sagen hatte. Außerdem hatte er wirklich keine Zeit, um sie mit diesem Dummkopf zu vertrödeln.
    »Wie heißt du!«, fragte er den Sbirren in herrischem Ton.
    »Das geht...«
    »Wie heißt du, Kerl?!«
    »Stronzio.«
    »Dann sperre deine verdreckten Lauscher auf, und hör mir gut zu, Stronzio. Wenn du mich nicht gleich zu deinem Herrn bringst, dann lass ich dir Nase und Ohren abschneiden. Hast du Kläffer mich verstanden?«
    Stronzio schluckte. Man konnte dabei zusehen, wie Verunsicherung sich auf seinem dümmlichen Gesicht breitmachte.
    »Die Ohren, weil du nicht auf deine Obrigkeit hörst, und die Nase, weil durch ihre großen Löcher offensichtlich der Teufel in dich gefahren ist!«
    Der Hund jaulte kurz auf, wie passend, dachte Prospero, bevor Stronzio ihn in den Palast ließ und ihn schweigend die Treppe hinauf in den ersten Stock führte. Bambino folgte mit eingezogenem Schwanz.
    Zwar nicht das Domizil eines Kardinals, aber für den
Präfekten eines Stadtbezirkes recht beachtlich, stellte Prospero anerkennend fest. Die Fresken stammten auch nicht von den großen Meistern Roms, aber immerhin von den Schülern ihrer Schüler. Als er die oberste Stufe nahm, umspielte sanft der Klang einer Laute sein Ohr. Das einsame Zupfinstrument schmachtete ein altes Liebeslied vor sich hin. Der Polizeipräfekt schien in sentimentaler

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