Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
Stimmung zu sein. Prospero schritt über den Steinfußboden auf eine große Flügeltür zu. Ein Diener, der davorstand, öffnete sie.
    Vor ihm lag ein Salon, der von Kerzen erhellt wurde. Der Lautenspieler stand am Fenster und zupfte Schnulzen, wie man sie noch vor etwa zehn Jahren, als Prospero in die Ewige Stadt gekommen war, auf allen Plätzen und Straßen hatte hören können. An einem langgezogenen, rechteckigen Tisch saßen sich der Polizeipräfekt Cavalcanti und ein etwa fünfzehnjähriger Junge gegenüber. Cavalcanti war groß und schlank, seine ergraute Tolle keck in bubenhaftem Charme gescheitelt. Obwohl er in Figur und Haltung markant wirkte, widerlegten die schlaffe Gesichtshaut und die verschwommenen Hamsteraugen diesen Eindruck. Die plumpe Nase verdarb die längliche Eleganz der Gesichtskonturen. Der ihm gegenübersitzende Knabe - zwar noch jung an Jahren, aber vom Leben verdorben, vorzeitig gealtert - gaffte mit dem durchtriebenen Blick des Strichjungen Prospero an. Dass der Dreck, in dem man lebt, zuallererst im Antlitz Spuren hinterlässt, vor allem in den Augen, die etwas Unstetes, Verschlagenes bekamen, war ein Phänomen, dem Prospero nicht das erste Mal in seinem Leben begegnete. Cavalcanti durchbohrte mit wütenden Blicken den Eindringling.
    »Wer sind Sie, sind Sie und was wollen Sie, wollen Sie?« Prospero stutzte, erinnerte sich aber sogleich daran, dass
der Präfekt die Angewohnheit hatte, willkürlich Worte zu wiederholen.
    »Wir haben zu reden, Signore. Sofort!«
    »Haben Sie sich angemeldet, einen Termin bekommen...«
    »Langweilen Sie mich nicht. Ich kann Sie auch vorladen lassen!«
    »Mich? Vorladen lassen?« Cavalcanti fiel der Löffel in die Suppe. Spritzer befleckten das Tischtuch und das Hemd des Präfekten.
    »Glauben Sie nicht, dass Ihr kleiner Freund dort, wenn ich ihn mit glühenden Eisen anpacke, mir schnell Ihre sodomitischen Neigungen bestätigen wird? Sie wissen so gut wie ich, dass man in keiner Stadt der Welt freier lebt als in Rom. Sie können bespringen, was oder wen Sie wollen, das interessiert niemanden - solange es nicht aktenkundig wird. Ich habe es sehr eilig. Also verschwenden Sie bitte nicht meine kostbare Zeit.«
    Cavalcanti lief rot an vor Zorn. »Ich lasse dich in den Tiber werfen, Tiber werfen! Stronzio!«, presste er zwischen den Zähnen hindurch.
    »Wie den Auditor Spigola etwa?« Prospero hatte keinerlei Rechtfertigung für diese Frage, aber der Bluff, auf den er intuitiv setzte, besaß einen gewissen provokativen Charme. Und Leute wie Cavalcanti, die glaubten, ihre Position gäbe ihnen das Recht zu allem, erzeugten in ihm nur eine ungeheure Wut. All die kleinen Bürokratenseelen, die sich hochgedient hatten, nach oben kuschten und nach unten traten und sich herausnahmen, was sie irgend konnten, widerten ihn an, umso mehr, als er inzwischen wusste, dass jedes System auf ihrer despotischen Mittelmäßigkeit beruhte.
    Stronzio war auf den Ruf seines Herrn hin herbeigeeilt
und glotzte ihn groß an. Der Präfekt machte aber nur noch eine zornige Handbewegung, die dem Diener befahl, sich wieder zurückzuziehen. Cavalcanti kochte ganz offensichtlich vor Wut, versuchte sich aber zu beherrschen. Prospero sah ihm an, dass er sich den Kopf darüber zerbrach, wer dieser Mann vor ihm eigentlich war. Er wusste seine Stellung und seine Macht schlicht nicht einzuschätzen.
    »Sodomie, Rechtsbeugung, Mord, Häresie«, zählte Prospero mit der kalten Präzision eines Anklägers auf, »die Liste ist beeindruckend! Finden Sie nicht, Signor Präfekt?« Schweiß perlte von Cavalcantis Stirn.
    »Verschwinde«, fauchte er seinen Strichjungen an. Der stand erschrocken auf und trollte sich. Der Präfekt wies auf den frei gewordenen Platz. »Einen Wein? Rot oder weiß?«
    »Ich sagte es schon, ich habe keine Zeit«, entgegnete Prospero kühl, nahm sich einen Stuhl von der Stirnseite des Tisches, stellte ihn in einigem Abstand hinter Cavalcanti auf und setzte sich. Das war zwar ausgesprochen kindisch, aber sehr wirkungsvoll. Von Caprara hatte er bereits bei ihrer ersten Begegnung gelernt, dass man sich niemals die Sitzposition zuweisen lassen durfte, sondern sie unter allen Umständen selbst aussuchen musste. Es ging dabei einzig um Macht.
    »Wollen Sie mir auf den Haarschopf starren?«, brummte Cavalcanti ärgerlich. Da Prospero nur eisig schwieg, blieb dem Präfekten nichts anderes übrig, als sich mit seinem Stuhl umzudrehen. Er sah jetzt erschöpft aus.
    Prospero beschloss, die

Weitere Kostenlose Bücher