Und stehe auf von den Toten - Roman
aufgeschnitten.«
»Und dann ist die Selbstmörderin, um ganz sicherzugehen, noch in den Tiber gesprungen?«, spottete Fermi.
»Nein, natürlich nicht. Außerdem kann ich keine Schnitte entdecken.«
»Was halten Sie denn hiervon?« Der Pathologe wies mit seinem Skalpell auf eine aufgeplatzte Stelle am Hals.
Benjamin staunte. »Das Blut floss also aus ihrer Halsschlagader.«
»Ja, aber sehen Sie sich bitte den Riss in der Haut genau an. Und sagen Sie mir, ob Sie auch sehen, was ich sehe.« Benjamin beugte sich über den Hals des Mädchens. Mit dem Griff seines Skalpells fuhr er vorsichtig in die unweit voneinander entfernt liegenden Enden des Spaltes.
»Ursprünglich hat man die Halsaorta nur an zwei Stellen angestochen. Die Perforation erfolgte post mortem.«
Der Hilfsauditor hatte mit wachsender Spannung zugehört. »Könnte sie gebissen worden sein?«, platzte er heraus. Damit handelte er sich aber nur die mitleidigen Blicke der beiden Mediziner ein.
»Wer sollte das Mädchen denn gebissen haben?«, fragte Fermi verständnislos. »Nur ein Raubtier verfügt über Zähne, die eine solche Wunde verursachen könnten. Und soweit mir bekannt ist, hausen in der römischen Kanalisation nur Ratten.«
Velloni war indessen aufgestanden und sah sich die Stelle an Francescas Hals genau an.
»Nach den Abbildungen, die ich gesehen habe, ist die Wunde eindeutig!«, sagte er mit fester Stimme.
»Ach ja? Was ist es denn Ihrer fachkundigen Meinung nach, Herr Kollege?«, entgegnete Fermi in sarkastischem
Ton. Velloni indes ließ der Spott des Pathologen kalt. Er war sich seiner Sache sicher.
»Diese beiden >Einstiche< am Hals des Mädchens wurden von den Eckzähnen eines Blutsäufers verursacht. Es handelt sich hier eindeutig um einen Vampirbiss!«
38.
U m in einer Kirche Trost und Sühne zu suchen, war er zu unentschlossen, vielleicht auch zu feige. Wenn er sonst in schwierigen Situationen zu Rafaels Tiburtinischer Sibylle gepilgert war, um im stillen Zwiegespräch mit ihr einen Weg zu finden, wagte er es diesmal nicht, ihr unter die Augen zu treten. In der Loggia der Villa Farnese hatte sie ihn schließlich noch ermahnt, aber er hatte ihre stumme Warnung in den Wind geschlagen. Valenti fühlte sich besudelt. Er hatte sein Gelübde gebrochen. Er hatte Gott hintergangen.
Der andere Ausweg, die Beichte, stand für ihn nicht zur Debatte. Der Graf verspürte nicht die geringste Lust, einen geifernden Priester mit Details seiner sexuellen Verfehlung zu füttern. Dafür kannte er die Durchschnittsgeistlichen in Rom zu gut. Die Sünden, die sich auf das Geschlechtliche bezogen, liebten sie besonders. Es genügte ihnen nicht, dass man gestand: Ich habe mit einer Frau oder der Frau meines Nachbarn geschlafen. Stellung und anatomische Besonderheiten der Frau unterlagen ihrer Auffassung nach der theologischen Begutachtung. Sie opferten sich förmlich auf, alle Einzelheiten anzuhören, und fragten auch gezielt nach, wenn der Sünder meinte, ihnen ein Detail vorenthalten zu dürfen. Schließlich galt es, den ganzen fürchterlichen Abgrund der Sünde zu ermessen. Valenti zweifelte daran, ob bei allen Beichtvätern während der Schilderung die Hände zum Gebet gefaltet blieben oder ob das, was sie stattdessen umfasst hielten, wirklich das Kreuz war. Beichteten diese Priester dann ihrerseits bei anderen Gottesmännern, um Absolution zu erhalten, würde Valentis Abenteuer
schnell seinen Weg von Beichtstuhl zu Beichtstuhl durch ganz Rom machen und dabei mit jedem Mal wilder, abgründiger und wollüstiger werden.
Allenfalls seinen Freunden Michele und Prospero konnte er den Bruch des Gelübdes gestehen, aber der eine weilte zur Hochzeit der Schwester in Neapel, und den anderen fand er nicht. Er hatte vergeblich an seine Wohnungstür geklopft, und auch Velloni hielt sich weder daheim noch im Vatikan auf.
Allmählich beschlich Valenti das Gefühl, dass sich etwas Außergewöhnliches ereignet hatte. So klopfte er ungestüm den guten Gioacchino aus dem Bett. In Nachthemd und Nachtmütze berichtete der Wirt von den Leichen der Mädchen, die auf dem Tiber schwammen, und von dem Mordanschlag auf Prospero. Gioacchino konnte nicht ahnen, dass der Graf jedes seiner Worte als Anklage empfand.
Während sich Valenti mit der Gräfin im Bett gewälzt und Gott dabei betrogen hatte, hatte der Freund sein Leben in Gefahr gebracht, um die Schwester ihres gemeinsamen Freundes Velloni den Klauen eines Monsters zu entreißen. Anstatt die ihm übertragenen
Weitere Kostenlose Bücher