Und stehe auf von den Toten - Roman
gesamten gläubigen Poppolo damit aus der Seele sprechen würde, denn der große Kirchenbau war voller Menschen, die sich versammelt hatten, um friedlich mit Andacht und Gebeten gegen den ungeheuren Frevel, der geschehen war, zu protestieren.
Der Zug der Särge war beklemmend und verstörend der Moment, als die zwölf Särge in die Erde gelassen wurden. Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden, lehre uns das, betete Prospero.
Aber jetzt musste er an die Lebenden denken. Valenti und er bestiegen ihr Gefährt, und der Einspänner jagte los zum Quirinalpalast.
45.
V or dem Audienzsaal erlebte Prospero eine böse Überraschung. Dort saß Cavalcanti und wartete darauf, vom Papst empfangen zu werden.
»Ah, Dottore Lambertini«, begrüßte ihn der Präfekt, als seien sie beste Freunde. Das konnte nur bedeuten, dass Gefahr in Verzug war. Er spürte die Heimtücke im Lächeln des Mannes, der ihn wegen seines vermessenen Auftritts eigentlich hassen müsste. Er kam nicht dazu, etwas zu erwidern, denn der Kammerdiener des Papstes winkte ihn gleich weiter in den Saal. »Beeilen Sie sich. Seine Heiligkeit erwartet Sie schon.«
Die drei Gestalten am Thron wirkten in dem großen Saal ganz verloren. Ganieri und Caprara standen vor dem Papst, der auf dem mit Goldschnitzereien verzierten Sessel unter dem Baldachin saß. Prospero überwand mit kurzen schnellen Schritten die Distanz und kniete vor dem Pontifex nieder. Der reichte ihm offensichtlich schlecht gelaunt die Hand, und der Hilfsauditor küsste sie. Mit einem Zeichen gestattete Klemens XI. ihm, sich zu erheben. Er war noch nicht ganz aufgestanden, da attackierte ihn der Stellvertreter Christi schon mit einer Frage. »Wie laufen die Vorbereitungen zur Heiligsprechung der seligen Elisabeth von Bartaszoly?«
»Alles läuft bestens«, antwortete er vage.
»Dann wärst du ja ein Wunder an Effizienz, bei den vielen Aktivitäten, die du noch nebenbei entwickelst.«
»Nun, ich versuche meine Zeit möglichst gut zu nutzen.«
»Gut zu nutzen? Du verletzt einen Polizisten und lässt es zu, dass ein Hauptmann, der in Unseren Diensten steht,
vom Pöbel angegriffen wird. Und anschließend verleihst du einer Leichenfledderei, die sich im Keller der Sapienza ereignet, durch deine Anwesenheit einen amtlichen Anschein. Nennst du das etwa gut nutzen?«
»In aller Demut, Eure Heiligkeit. Man muss Sie falsch unterrichtet haben. Die Sbirren wurden nicht vom Pöbel angegriffen, sondern die Väter von elf ermordeten Mädchen begleiteten ihre Töchter, die wir vorher im Fluss geborgen hatten, zur Morgue. Dort wollten wir im Einverständnis mit den betroffenen Familien die Todesursache ihrer Kinder feststellen. Auf dem Weg zur Universität wurden wir dann unverständlicherweise von den Sbirren angegriffen. Obwohl ich mich als Mitarbeiter der Rota zu erkennen gegeben habe!«
»Meine Sbirren sollen die Angreifer sein?«, fragte Albani lauernd.
»Ja. Stellen Sie sich einmal vor, es wäre ihnen gelungen, uns zu überwältigen. Wir hätten jetzt den schönsten Aufruhr in Rom.«
»Mein Hilfsauditor hat Recht. Außerdem protestiere ich aufs Schärfste gegen die Willkür, die sich dieser Hauptmann der Sbirren gegen die Sancta Rota Romana herausnimmt«, sagte Caprara. Es herrschte Stille. Auch der Papst durfte nicht die Unverletzlichkeit seines höchsten Gerichtes anzweifeln lassen.
»Was forderst du, Alessandro?«, fragte Klemens XI. emotionslos.
»Dass dieser Hauptmann abgesetzt wird und...«
»Und was?«, mischte sich Ganieri ein.
»... und dass er gehenkt wird!«
Wieder einmal bewunderte Prospero Caprara dafür, wie geschickt er eine Provokation zu setzen vermochte.
»Großer Gott, gleich hängen. Übertreiben Sie da nicht ein bisschen, Auditor?«, ereiferte sich Ganieri. Caprara machte ein sehr besorgtes Gesicht. »Wenn es um das Leben eines Menschen geht, wäge ich sorgfältig ab. Aber dieser Hauptmann hat die Rota angegriffen, seine Amtsbefugnisse missbraucht und sich über das Gesetz, das Gericht und letztlich über den Papst gestellt. Heiliger Vater, da ich sicher bin, dass er dafür keine Anweisungen von seiner Eminenz, dem Kardinalvikar von Rom, bekommen haben kann, sollten wir ihn peinlich befragen, woher er eigentlich seine Befehle erhält. Vielleicht stellt sich ja heraus, dass er mit den Verbrechern im Bunde steht. Die Vermutung liegt zumindest nahe.«
Damit hatte Caprara das Todesurteil über den Hauptmann gesprochen. Ganieri konnte nicht
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