Und taeglich grueßt die Evolution
Stellung umstritten. Manche Anthropologen stellen ihn gar in die Ahnenreihe des Gorillas. Haben seine Erstbeschreiber um Michel Brunet von der Universität Poitiers (Frankreich) die Zweibeinigkeit noch nicht ganz ausgeschlossen, obwohl diagnostische Knochen wie Becken oder Oberschenkel bislang fehlen, sprechen der US-Anthropologe Milford Wolpoff und seine Kollegen dem Sahelanthropus den zweibeinigen Gang in einer neuen Studie ab. Untersuchungen am Schädel deuten nach ihrer Ansicht vielmehr darauf hin, dass sich Sahelanthropus wie ein Schimpanse fortbewegt und seinen Kopf nicht aufrecht über der Wirbelsäule gehalten hat. Sie bezeichnen ihn deshalb auch als Affe, der sich in einem Lebensraum aufhielt, der später von Affen verlassen und anschließend von Australopithecinen besiedelt wurde.
Wolpoff stützt sich bei seinem Urteil auf eine genetische Untersuchung, die Nick Patterson vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge durchgeführt hat. Eine Genanalyse von Mensch und Schimpanse ließ diesen zu dem Schluss kommen, dass sich die stammesgeschichtliche Trennung der beiden vor weniger als 6,3 Mio. Jahren vollzog. Bestätigen sich diese Befunde, wird Sahelanthropus auf Grund seines hohen Alters in die Linie der letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse eingereiht werden.
Versuche zur Rekonstruktion der frühmenschlichen Umwelt
Alle genannten Thesen zum aufrechten Gang stehen und fallen mit unserem Wissen darüber, welcher Lebensraum von unseren Vorfahren tatsächlich bevorzugt wurde. Schlüssige Umweltrekonstruktionen basieren meist auf dem Vergleich mit heutigen Lebensräumen. Kaye Reed vom Institute of Human Origins in Phoenix untersuchte in einer groß angelegten vergleichenden Studie 31 moderne afrikanische Lebensräume wie den Serengeti-Nationalpark aus insgesamt acht verschiedenen Habitaten. Jede Spezies eines Lebensraumes wurde auf die sogenannten Ökovariablen Nahrung und Fortbewegung analysiert. Gemäß dem Prinzip, ein Gnu frisst Gras und bewegt sich terrestrisch, führte Reed in einem ersten Schritt alle modernen Speziesdaten in einem grafischen Modell zusammen. Sie analysierte dann die Nahrung und Fortbewegung fossiler Spezies aus ost- und südafrikanischen Hominidenfundstellen, die zwischen 3,6 und 1 Mio. Jahre alt sind.
Ein Vergleich mit den »modernen« Daten deutet darauf hin, dass Australopithecus in geschlossenem bis offenem Waldland heimisch und sein Habitat an Wasser gebunden war. Paranthropus hingegen lebte an Wasserläufen in etwas offeneren Habitaten. Der Lebensraum des frühen Homo glich dem des Paranthropus. Der spätere Homo kam in trockenen und offenen Gebieten vor.
Vor allem der Zeitraum vor etwa 1,8 Mio. Jahren ist in diesem Modell von besonderer Bedeutung. Der Anteil der Grasfresser an der rekonstruierbaren Fauna schwankte in Ostafrika bis vor 1,8 Mio. Jahren zwischen 15 und 25 Prozent, stieg danach aber auf über 45 Prozent an. Dies war höher als jemals zuvor und spricht für die massive Ausbreitung von Grasland ab 1,8 Mio. Jahren. Die Grasfresser in Südafrika folgten demselben Trend.
Auch die Lebensräume baumlebender Arten veränderten sich ab 1,8 Mio. Jahren. Aus offenem und geschlossenem Waldland wurden zunehmend Strauch- und Grasländer. Der prozentuale Anteil von Fruchtfressern wiederum deutet darauf hin, dass es in Ostafrika vor 2,54 bis 1,8 Mio. Jahren vor allem Waldland gab. Danach allerdings lagen deren Häufigkeiten wiederum im Strauch- bis Graslandbereich. In Südafrika sind die Hominidenfundorte zwar grundsätzlich trockener, aber der hohe Anteil von Fruchtfressern in dem Zeitraum vor 3 bis 1,8 Mio. Jahren macht buschige Lebensräume wahrscheinlich.
Faunenwechsel und Trockenheit
Die Paläontologin Elisabeth Vrba von der Universität Yale beschreibt in ihrer sogenannten Turnover Pulse Hypothesis, wie Perioden mit signifikanten evolutionären Veränderungen durch Klimawandel ausgelöst werden. Vrba zufolge kam es bereits vor 2,8 bis 2,5 Mio. Jahren zu einer Zunahme offenerer und trockenerer Landschaften. Afrikanische Antilopen, die an Waldlandschaften angepasst waren, verschwanden ihrer Ansicht nach aus den ost- und südafrikanischen Fundstellen, dafür traten an Graslandschaften angepasste Arten vermehrt in Erscheinung.
Vrbas Ergebnisse schlagen sich in Reeds Fundstellenstudie allerdings nicht nieder. Reed hält eher eine graduelle Vertrocknung (Aridifizierung) oder einen Wechsel zu ausgeprägten Trockenzeiten für möglich, die ab einem
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