Und trotzdem ist es Liebe
okay. Aber letzten Endes fühle ich mich ein bisschen leer, wenn ich mit ihm zusammen bin.»
Mein Dad legt seinen Burger auf den Teller. «Wünschst du dir nicht auch, wir könnten uns die Leute aussuchen, die wir lieben?»
«Ja», sage ich. «Oder wir könnten die Leute, die wir lieben, dazu bringen, dasselbe zu wollen wie wir.»
«Ja», sagt er. «Das wäre auch schon ziemlich gut.»
Jess ruft mich am Nachmittag an und sagt: «Lass uns heute Abend ausgehen.»
«Ich kann nicht», sage ich. «Ich muss ins Fitness-Studio und eine oder zwei Neunminutenmeilen laufen, vielen Dank.»
«Du gehst heute Abend nicht ins Studio.»
«Ich habe gehört, nach dem Training geht’s einem besser.» Aber eigentlich habe ich das nie feststellen können. Ich finde es eher frustrierend, wenn mehrere aufeinanderfolgende Workouts keine sichtbaren Resultate bringen.
«Du brauchst ein paar Drinks», sagt Jess.
Ich fühle mich versucht, aber «ein paar Drinks» mit Jess sind so gut wie nie ein paar Drinks. Vor allem dann nicht, wenn eine von uns beiden beruflich, persönlich oder familiär gerade eine unruhige Zeit durchmacht. Meistens werden daraus ein paar Drinks und ein langes Essen und dann noch ein paar Drinks. Und wenn die Sache tragisch genug ist, gehen wir schließlich zum Tanzen in den lausigsten Touri-Club, den Jess finden kann. Tatsächlich kann das eine therapeutische Wirkung haben, und deshalb bin ich nicht abgeneigt, aber dann denke ich an den Kater, den ich morgen haben werde, und entscheide mit der Entschlossenheit einer Fünfunddreißigjährigen, dass sich das nicht lohnt.
«Ich wünschte, ich könnte», sage ich. «Aber ich habe noch eine Menge zu lesen. In Italien habe ich so gut wie nichts geschafft.»
«Ach, komm. Du hast immer eine Menge zu lesen», sagt Jess.
«Ja, aber jetzt bin ich bedrohlich im Rückstand», sage ich.
«Pech», sagt sie. «Wir gehen aus. Wir treffen uns in der Temple Bar um Punkt sieben.»
Dann legt sie auf, bevor ich antworten kann.
Die Temple Bar war eine der ersten Bars, in die Jess und ich gingen, nachdem wir nach New York gezogen waren. Es war die Empfehlung einer Freundin ihrer Familie, eines Mädchens namens Caroline, das schon ein paar Jahre in der Stadt wohnte, als wir kamen. Sie gab Jess eine Liste mit der Überschrift «Coole Läden, um in Manhattan gesehen zu werden», und die konsultierten wir, bevor wir abends ausgingen. Unsere Lieblingslokale markierten wir mit Sternchen. Die Temple Bar bekam zwei. Obwohl die Drinks dort außerhalb unseres «Happy Hour»-Preissegments lagen und wir die teure Taxifahrt nach NoHo bezahlen mussten, war es das jedes Mal wert. Wir fühlten uns cool, wenn wir dort waren – wie zwei, die es in Manhattan geschafft hatten.
Eines Tages fand Jess’ neuer Freund, ein lustiger Anwalt namens Stu, die Liste in unserer Küche. Die Beziehung zwischen ihm und Jess war eine von denen, die von gnadenloser Hänselei geprägt sind: Es war fast so, als seien sie beide nicht über das Sandkastenalter hinausgekommen, in dem man sich gegenseitig an den Haaren zieht. Jedenfalls bereitete sein Fund ihm großes Vergnügen.
«Coole Läden, um gesehen zu werden?» Stu wedelte mit der Liste, als sie ihn durch die Wohnung jagte. «Das ist ja unglaublich bekloppt. Wer hat das geschrieben?»
Jess stellte sich dumm. «Ach … das alte Ding? Eine Freundin meiner Familie ist damit angekommen. Unsere Dads sind Arbeitskollegen. Ich kenne sie kaum. Sag’s ihm, Claudia.»
«Wir kennen sie kaum», echote ich.
«Na, das Einzige, was noch bekloppter ist, als so eine Liste zu schreiben, ist, sie tatsächlich zu behalten.» Er brach fast zusammen vor Lachen, als er mit Daumen und Zeigefinger das L für «Loser» vor seiner Stirn machte. «Und sie dann mit Sternchen und Notizen vollzukritzeln.»
Jess lief rot an. «Tja, aber du bist der Loser, der schon in jeden zweiten Laden mit mir gegangen ist!»
Sie zerknüllte das Blatt und warf es in den Mülleimer. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Temple Bar schon längst als unser Lieblingslokal etabliert.
Seitdem hat sich viel geändert. Als fünfunddreißigjährige Lektorin und fast so alte Geschäftsführerin einer Top-Firma an der Wall Street hängen wir nicht mehr so oft in der Village/NoHo-Gegend herum. Wir gehen auch nicht mehr so gern in Lounges, sondern viel lieber in Restaurants, wo die Leute sich trauen, in anderen Farben als Schwarz aufzutreten. Aber wie ein Lied, das unauslöschlich mit einer bestimmten Zeit
Weitere Kostenlose Bücher