Und trotzdem ist es Liebe
mehr, auf ein paar aufmunternde Worte: dass Lektorin ein genauso vornehmer Beruf wie Notfallmedizinerin ist. Sie rettet den Menschen vielleicht das Leben, aber ich bereichere es.
Jess kommt mit etwas anderem. Mit etwas Besserem. «Das beweist noch gar nichts. Es beweist nicht, dass sie was miteinander haben. Und es beweist schon gar nicht, dass sie gut im Bett ist.»
«Ich muss es wissen, Jess.» Ich denke an mein Telefongespräch mit Ben gestern Abend. «Ich muss wissen, was da los ist.»
«Okay», sagt Jess. «Hast du ihre Namen mal zusammen eingegeben? So findet man verheiratete oder verlobte Paare.»
«O Gott! Glaubst du, sie sind verlobt?»
«Nein. Beruhige dich. Ich sage nur … Moment … lass mich das eben machen …» Es klappert, und dann ist es still. Ich höre Jess flüstern: «Oh, verfluchte Scheiße …»
«Was denn?», frage ich. «Was hast du gefunden?»
«Ich habe einen Treffer», sagt sie.
«Mit Benjamin oder Ben?»
«Mit Ben», sagt sie. «Wird dir nicht gefallen.»
Mit zitternden Händen schreibe ich Ben Davenport in Anführungsstrichen neben Tucker Janssen mit zwei s . Und richtig, ich habe auch einen Treffer. Die Resultate vom Marathon in Chicago. Ihre Zeit ist die gleiche: 3 : 42 : 55. Beeindruckend, besonders für eine Frau. Sie ist also Ärztin und Athletin. Aber das Schlimmste an dieser Entdeckung ist die identische Zeit. Das bedeutet, sie sind Hand in Hand durchs Ziel gelaufen. Ben hat immer gesagt, das würden wir zusammen tun. Jetzt ist das Bild komplett: Sie haben zusammen trainiert, sind zusammen nach Chicago geflogen, haben zusammen ihre Familie in ihrem Apfelkuchen-Heimatkaff besucht, sind zusammen den Marathon gelaufen und zusammen durchs Ziel gegangen. Hand in Hand. Das ist unendlich viel bedeutender als die Villa d’Este. Jess weiß das auch; ich erkenne es an ihrem uncharakteristischen Schweigen. Bevor Jess sich geschlagen gibt, muss eine Menge passieren, vor allem, wenn es um meine Ehre geht. Aber jetzt ist sie geschlagen.
«Und wenn man sich vorstellt», sage ich, «dass es nur das ist, was wir bei Google finden.»
«Ja», sagt Jess betrübt. «Da machen wir lieber nicht noch eine Suche mit dem Wort ‹Baby›, was?»
Dreiundzwanzig
An diesem Nachmittag kommt mein Vater in die Stadt, um im Mayrose Diner mit mir zu essen. Er wollte mich irgendwohin einladen, wo es hübscher ist, aber unmittelbar nach der Villa d’Este ist mir mehr nach laminierten Speisekarten als nach Stoffservietten. Wir sitzen in unserer Nische und plaudern über Italien. Ich sage ihm, er müsse den Comer See auf die Liste der Orte setzen, die er noch sehen muss, bevor er stirbt.
«So eine Liste habe ich nicht», sagt er und transferiert Zwiebel, Salatblatt und Tomate vom Tellerrand auf seinen Burger.
«Die brauchst du aber», sage ich.
Er sieht mich an, als denke er darüber nach. Da erzähle ich ihm von meiner Google-Suche. Er verzieht mitfühlend das Gesicht. «Das tut mir leid, Kleines», sagt er.
«Ja», sage ich. «Schöne Pleite, was?»
«Ich glaube, es wird Zeit, dass du Ben wirklich loslässt», sagt er. «Du willst doch nicht so bitter werden wie dein alter Herr.»
Ich lange über den Tisch und tätschle seine Hand. «Dad, du bist nicht bitter», sage ich, aber kaum habe ich es ausgesprochen, wird mir klar, dass sich hinter seinem fröhlichen Auftreten genau das verbergen könnte. Vielleicht vermisst er meine Mutter immer noch. Ich sehe plötzlich, dass sie ein Mensch ist, den man vielleicht nie aufhören kann zu lieben, wenn man einmal auf sie hereingefallen ist.
Er nickt und sagt: «In mancher Hinsicht bin ich es … Aber es ist zu spät, um mich noch zu ändern. Du dagegen hast dein ganzes Leben noch vor dir … Was ist denn mit diesem Richard? Klingt ziemlich ernst, wenn er dich nach Italien einlädt.»
Ich schüttle den Kopf. Es kommt mir ein bisschen komisch vor, meinem Vater zu gestehen, dass ich mit einem Mann nach Italien gefahren bin, mit dem es mir nicht ernst ist, aber ich sage trotzdem: «Offen gestanden, ich glaube nicht, dass daraus etwas wird.»
«Wieso nicht? Will er auch Kinder haben?»
Ich weiß nicht genau, ob das ein Witz sein soll, aber ich lache und betupfe mir dann die Lippen mit der Serviette. «Nein, will er nicht. In dieser Hinsicht ist er perfekt für mich.»
Mein Dad versucht es noch einmal. «Wo liegt dann das Problem?»
«Ich liebe ihn nicht. Ich werde einfach niemals so für ihn empfinden … Ich hätte gedacht, das sei
Weitere Kostenlose Bücher