Und trotzdem ist es Liebe
Lektorat, setzt sich neben mich und fragt, ob ich einen Donut will. Nein danke, sage ich, und vielleicht ist es das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen Krispy-Kreme-Donut abgelehnt habe. Aber heute bin ich zu nervös, um zu essen. Ich habe noch nie beruflich vor jemandem auftreten müssen, mit dem ich gerade geschlafen habe – oder mit dem ich, um genau zu sein, überhaupt geschlafen habe.
In diesem Augenblick höre ich, wie Richard sagt: «Was ist denn jetzt los? Parr will keinen Donut?»
«Also wirklich», sagt Jacqueline. «Was soll denn das, du dürre Ziege? Du kannst dir die Kalorien doch leisten.»
«Ja», sagt Richard. «Weißt du nicht, dass es sich nicht gehört, Süßigkeiten abzulehnen, wenn man dünn ist wie ein Model?»
Ich sehe ihn an und bin überrascht und beeindruckt zugleich, dass er es schafft, mir innerhalb von fünf Minuten ein Kompliment zu meiner Figur zu machen.
«Hey. Ich versuche hier, mich zu konzentrieren», sage ich, als Richard neben mir Platz nimmt. Ich bin durcheinander, und das wird noch schlimmer, als ich seinen Fuß an meinem spüre. Ich schüttle den Kopf und ziehe den Fuß zurück, und ich frage mich, wie oft er unter diesem Tisch wohl schon mit jemandem gefüßelt hat. Ob Richard auch schon mit anderen Lektorinnen geschlafen hat? Ich hoffe nicht.
Als sein Fuß nachrückt, werfe ich ihm einen Blick zu und tue, als wollte ich ihn warnen.
Er zieht spöttisch die Brauen hoch. «Was?»
«Nichts», sage ich und schüttle wieder den Kopf.
Unser Cheflektor Sam Hewlett eröffnet in seinem üblichen trockenen, geschäftsmäßigen Ton die Sitzung und übergibt das Wort an die Kollegin Molly Harrington, die einen historischen Jugendroman präsentiert, der in Brügge spielt. Ich versuche mich auf Molly zu konzentrieren, aber ich kann nur an gestern Abend denken. Irgendwann fängt Richard an, Kringel auf seinen Notizblock zu malen, und wie gebannt starre ich sie an – und seine Hand. Als er sieht, dass ich zuschaue, schreibt er: Ich kann . Dann streicht er die Worte durch, vergewissert sich mit einem kurzen Blick, dass niemand ihn beobachtet, und schreibt: dich noch . Er schlägt eine neue Seite auf und schreibt: schmecken . Ich bekomme Herzklopfen, als ich daran denke, wie sein Mund mich gestern Abend berührt hat. Ich schwöre mir, nicht wieder auf seinen Block zu schauen.
Zwei Stunden und sechs Bücher (vier davon abgelehnt) später bin ich mit meinem Vortrag an der Reihe. Richard dreht seinen Stuhl zu mir herum und lächelt. Ich versuche ihn zu ignorieren, aber anfangs bin ich doch ein bisschen wacklig, als ich meinen Roman vorstelle und mich begeistert darüber auslasse, wie witzig und bezaubernd ich ihn finde. «Es ist die Story einer Frau in Chicago, die aus verschiedenen Gründen beschließt, ihr wunderbares, stabiles Leben aufzugeben und nach Südfrankreich zu ziehen. Dabei stößt sie auf eine Menge Hindernisse und Widrigkeiten, aber am Ende gelingen ihr ein paar erstaunliche Entdeckungen über sich selbst … Dieses Buch ist unglaublich zu Herzen gehend und ansprechend.»
Sam unterbricht mich. «Welches Publikum siehst du dafür?»
«Ich denke, es ist ein Buch für Leute, die Peter Mayle mögen. Aber die Story hat etwas sehr Bodenständiges, und deshalb, glaube ich, wird es ein breiteres Publikum ansprechen als Peter Mayle. Ich glaube, es wird Frauen aller Altersklassen gefallen. Und, ehrlich gesagt, ich glaube, Männer werden die Story auch mögen.»
Eine andere Lektorin, Dawn Bolyn, beugt sich mit süffisantem Gesichtsausdruck vor. Dawn ist eine hinterhältige, konkurrenzbesessene Kollegin, die unverhohlen neidisch auf den Erfolg anderer ist, vor allem auf meinen. Deshalb wundert es mich nicht, als sie sagt: «Das klingt ein bisschen nach einem zweiten Aufguss von Das Paradies heißt Bramasole. »
«Na ja, Dawn», sage ich übertrieben geduldig, «zunächst mal spielt es in Frankreich, nicht in Italien.»
Dawn ist sichtlich verärgert, als meine Bemerkung leises Gelächter hervorruft. «Und tatsächlich haben die beiden Bücher nichts miteinander gemeinsam.»
Jacqueline springt mir bei. «Ich fand, es ist wunderbar geschrieben. Sehr lebendig und deskriptiv, ohne überladen zu sein … Und die Story ist fesselnd. Ich hatte den ganzen Sonntag über einen scheußlichen Kater, und trotzdem konnte ich nicht aufhören.»
Alle lachen, denn jeder weiß, dass Jacqueline es gern übertreibt, wenn wir nach der Arbeit noch einen trinken gehen.
«Ich stimme
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