Und trotzdem ist es Liebe
Manuskript einfach zuschickt. Aber sie sagt nur: «Schade. Vielleicht beim nächsten Mal.»
Ich lege auf. Wenn Coral dich anruft, dann bist du jemand, sage ich mir. Aber wenn du sie abblitzen lässt, bist du wirklich jemand. Und dann sage ich mir, es gibt nichts Wichtigeres als Freundschaft. Oder Kinder. Oder eine Freundin, die ein Kind kriegt. Aber unwillkürlich bin ich ein bisschen sauer, weil meine Arbeit von einem Baby beeinträchtigt wird, das noch nicht mal da ist.
Am nächsten Morgen, als ich gerade aufgewacht bin, kommt Jess in mein Zimmer. «Claudia, ich blute.» Ihre Stimme klingt ruhig, aber ihr Gesicht ist verkniffen und blass.
«Wo?», frage ich und denke, sie hat sich vielleicht in den Finger geschnitten.
«Ich habe meine Periode», flüstert sie. «Ich bin nicht mehr schwanger.»
Das Wort «Fehlgeburt» durchzuckt mich, aber ich schüttle den Kopf und sage: «Das ist am Anfang völlig normal.» Ich klinge, als ob ich aus einem medizinischen Lehrbuch zitiere; also füge ich einen anekdotischen Beleg hinzu: «Maura hat bei allen drei Schwangerschaften getröpfelt.»
«Ist ein Blutstrom auch normal?», fragt Jess mit zitternder Stimme. «Claudia, ich bin eindeutig nicht mehr schwanger.»
Ich sehe meine beste Freundin an und habe Angst, etwas zu sagen. Angst, das Falsche zu sagen. Ich habe gehört, dass die Hälfte aller Frauen irgendwann im Leben eine Fehlgeburt hat, aber zum ersten Mal erlebe ich es selbst. Ich sage ihr, dass es mir leidtut. Ich versichere ihr, dass sie darüber hinwegkommen wird. Dass wir darüber hinwegkommen werden. Ich sage ihr, was ich Daphne immer sage, wenn sie wieder ihre Periode hat – dass sie eines Tages Mutter werden wird. Eines Tages wird es passieren. Daran glaube ich.
Aber während ich mich so reden höre, ist da ein kleiner Teil meiner selbst, der über diese Wendung schandbar erleichtert ist. Ich bin erleichtert, weil ich diese Strapaze mit Jess nicht durchmachen muss. Ich bin erleichtert, weil ich doch noch ein bisschen Zeit mit ihr habe, bevor sie Mutter wird. Aber vor allem bin ich meiner besten Freundin wegen erleichtert. Ich weiß, dass sie jetzt über den Verlust trauert, aber ich hoffe, sie wird eines Tages zurückschauen und denken, dass es aus einem bestimmten Grund so gekommen ist. Dass es so am besten war. Ich möchte, dass sie ein Kind mit einem Mann bekommt, der besser ist als Trey. Mit einem Mann, wie sie ihn verdient. Mit einem Mann wie Ben zum Beispiel.
Zwanzig
Ich hoffe, mein fünfunddreißigster Geburtstag wird die Flut von Babygerede stoppen. Ich hoffe, die Menschen in meinem Leben werden mir dieses Geschenk machen. Aber in den Tagen vor diesem bedeutsamen Datum hinterlässt Daphne auf meinem Anrufbeantworter Nachrichten wie diese: «Wäre wirklich toll, wenn wir die Eizellen bald bekommen könnten. Wir könnten die Amnio vermeiden, wenn wir sie jetzt noch kriegen!»
Natürlich bezieht sie sich auf die Tatsache, dass die meisten Ärzte bei Müttern, die älter sind als fünfunddreißig, eine Amniozentese empfehlen, und obwohl sie scherzhaft tut, weiß ich, dass sie es ernst meint. Auch wenn ich bei der Vorstellung, ihr eine Eizelle zu spenden, fast ausflippe, tendiere ich dazu, ihr den Gefallen zu tun. Hauptsächlich, weil ich das Leiden meiner Schwester einfach beenden möchte, aber auch, weil ich eigentlich nicht das Gefühl habe, dass mir etwas anderes übrig bleibt. Ich weiß einfach nicht, wie ich es ihr abschlagen soll.
Ich begehe den Fehler, Jess mein Dilemma vorzutragen. Das Schlimmste ist vorbei, nachdem der Arzt ihr bestätigt hat, dass Fehlgeburten schrecklich häufig vorkommen. Außerdem hat er einen Hormonstatus gemacht und festgestellt, dass alles normal ist. Er hat gesagt, es gebe keinen Grund, in Zukunft mit irgendwelchen Problemen zu rechnen. Trotzdem vermischt sich ihre Hypochondrie mit den Neuigkeiten von Daphne und versetzt sie in einen hektischen Alarmzustand. Sie fängt an, verrücktes Zeug zu reden: Sie will ihre Eizellen einfrieren lassen. Außerdem verbringt sie Unmengen von Arbeitszeit damit, mir Links über revolutionäre Fortpflanzungstechnologien zu mailen.
Irgendwann maile ich ihr zurück, ich hätte noch nie im Leben so viel über Eier gehört – nicht mal an Ostern oder beim Sonntagsbrunch. Kaum habe ich auf SENDEN geklickt, befürchte ich, dass dieser Witz geschmacklos war oder sie gekränkt haben könnte, aber sie antwortet mit einem gutmütigen «Ha ha», akzeptiert den Wink mit dem Zaunpfahl und
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