Und trotzdem ist es Liebe
fängt an, von meinen Geburtstagsplänen zu reden. Ich sage ihr (und meinen Schwestern) klar und deutlich, dass ich keine Party will – auch keine Überraschungsparty. Ich würde nur gern im kleinen Kreis irgendwo essen gehen, sage ich und nenne ihr die üblichen Namen – minus Ben, plus Richard.
Als Jess wissen will, wohin ich gehen möchte, sage ich, ins Babbo, obwohl das eins meiner Lieblingslokale mit Ben war. Es kümmert mich nicht mehr, wo Ben und ich zusammen waren. Ich will meine Stadt wieder für mich in Besitz nehmen. Also schickt Jess eine Mail an Maura und Scott, Daphne und Tony, Annie und Ray, Richard und Michael (die, von einer morgendlichen Aufzugfahrt abgesehen, noch nie beide gleichzeitig mit mir zusammen gewesen sind). Alle mailen zurück, dass sie kommen – nur Ray nicht; er redet sich damit heraus, dass sie keinen Babysitter finden. Ich glaube ihm nicht. Es gibt Unmengen von Babysittern in Manhattan. Aber insgeheim bin ich froh, dass er nicht dabei sein wird. Lieber habe ich Annie als einzelne Freundin. Dann umgehe ich wenigstens den unbehaglichen Übergang zum «befreundeten Paar».
Unterdessen plant Richard unseren Drei-Tage-Trip an einen geheimen Ort. Ich weiß nicht mal, ob es eine warme oder eine kühle Gegend sein wird, denn er hat Jess beauftragt, meinen Koffer für mich zu packen. Ich bedränge Jess, mir zu sagen, wo es hingehen soll, aber sie bleibt fest – auf die gleiche mütterlich entschlossene Art, mit der sie sich weigert, mir zu verraten, ob ein Film glücklich oder traurig endet. Wenn ich einen Film sehe, bin ich gern vorbereitet. Ich möchte in der richtigen Gemütsverfassung sein. Ich war stinksauer, als wir zusammen Jenseits von Afrika gesehen haben, einen Film, den sie schon kannte.
«Du hättest mir sagen sollen, dass er stirbt!», sagte ich.
«Das hätte es dir verdorben», sagte sie.
«Aber wenn ich es wissen will , verdirbt es mir doch nichts!»
Jess sieht das anders. Leute, die Überraschungen lieben, wollen, dass man Überraschungen ebenfalls liebt.
Deshalb verrät Jess mir nur, dass Richard mit mir irgendwo hinfährt, wo es «wirklich gut» ist.
«War ich schon mal da?», frage ich.
Nein, sagt sie. Aber sie fügt hinzu, wenn ich Ben schon aufgeben musste, hätte ich ihn doch wenigstens durch einen wie Richard ersetzt.
«Niemand ersetzt Ben!»
Jess’ Blick sagt mir, dass sie da nicht so sicher ist. «Er klingt super. Mir gefällt seine dunkle Stimme.» Dann versucht sie, ihn zu imitieren. «‹Und, Jess … äh, bitte pack auch ihren Vibrator ein.›»
«Werde erwachsen», sage ich.
«Selber», sagt sie – ihre Lieblingsantwort.
Nur eine von uns beiden will hier Mutter werden , denke ich.
Am Abend des gemeinsamen Essens bietet Richard an, Jess und mich abzuholen. Nein danke, sage ich, wir würden uns dort treffen. Okay, sagt er und will wissen, welchen Drink ich als Erstes haben möchte, damit er ihn vorbestellen kann. Ich finde, das ist ein netter Touch.
Ein paar Stunden später haben Jess und ich uns in unsere Partykleider geworfen. Ich trage wieder meine Geburtstagsschuhe. Wir nehmen ein Taxi in Richtung Downtown und steigen an der Ecke Sixth Avenue und Waverly Place aus. Es ist ein kühler Septemberabend, und ich bereue, dass ich kein Tuch mitgenommen habe, als wir den halben Block bis zum Babbo zu Fuß gehen.
«Es ist kälter, als ich dachte», sage ich fröstelnd.
«Bist du nervös ?», stichelt sie. Sie weiß, dass ich immer friere, wenn ich nervös bin. «Weil Richard jetzt alle kennenlernen wird?»
«Ein bisschen vielleicht», gebe ich zu. «Ich wünsche mir, dass du, Maura und Daphne ihn mögt.»
Kaum habe ich das gesagt, frage ich mich, warum mir daran liegt, dass er ihnen gefällt. Vielleicht ist es einfach eine Sache des Stolzes. Und ich will nicht, dass irgendjemand Ben zu sehr vermisst.
«Na, seine Stimme gefällt mir ja schon. Außerdem, wenn du ihn magst, werde ich ihn auch mögen.»
Umgekehrt ist das keineswegs so, denke ich, aber ich verkneife mir, den Blödmann zu erwähnen. Es ist fast eine Woche her, dass wir von ihm gesprochen haben, und ich will diesen neuen Trend nicht gefährden. Soweit ich weiß, hat er sie immer noch nicht zurückgerufen.
«Danke, Jess.» Ein neuer, kummervoller Gedanke regt sich in meinem Hinterkopf, aber ich kann ihn nicht ganz fassen. Vielleicht bin ich nur bedrückt, weil ich mir meinen fünfunddreißigsten Geburtstag ganz anders vorgestellt hatte. Ich hatte mir vorgestellt, dass Ben und ich
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