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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Tatsächlich jedoch hatte der Direktor die Arme nur erhoben, um sie in einer Geste vergeblicher Anteilnahme wieder sinken zu lassen.
    »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das weiß man nie.«
    »Dann sagen Sie nichts.« Van Leeuwen ging weiter, durch die Tür und die Eingangshalle, dann war er an der frischen Luft. Es überraschte ihn, dass draußen die Sonne noch schien, dass der Tag weiterging, als wäre nichts geschehen. Er roch das Gras und die Erde und einen bittersüßen Blumenduft, den er nicht einordnen konnte. Das Licht des späten Nachmittags stach ihm in die Augen. Alles um ihn schien deutlicher hervorzutreten, schlicht wie auf einem japanischen Wandteppich – die Apfelbäume, die Zäune auf dem Grasland, die Büsche am Parkplatzrand. Eine Regenwolke, noch fern, am Horizont. Sein Blick war schärfer geworden. So scharf, dass ihn schwindelte. Er stützte sich auf die Kühlerhaube des Alfa und atmete mehrmals tief durch. Hinter ihm knirschten Schritte auf dem Kies. Er sah den Doktor als Spiegelung auf der Windschutzscheibe auftauchen. Es tat ihm leid, dass er Ten Damme so brüsk abgefertigt hatte. »Es war nicht abzusehen«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Am Anfang waren es nur ein paar Namen, die sie vergessen hatte, Namen und Telefonnummern. Wir kamen gar nicht auf die Idee, dass man deswegen einen Arzt aufsuchen sollte. Dass es sich um eine Krankheit handelte. Es war nicht mehr als ein Faden, den man am Ärmel seines Pullovers entdeckt. Aber dann zieht man daran, und der ganze Pullover löst sich auf. Ihr Leben und mein Leben – auf einmal ist nichts mehr davon übrig, nur wegen diesem verdammten Fädchen.«
    »Vielleicht ist das ein Trost«, meinte Ten Damme. »Der Apostel Paulus hat gesagt, wenn wir zornig sind auf Gott, dann sind wir ihm am nächsten.«
    »Dann war ihm niemand je näher als ich in diesem Moment«, antwortete Van Leeuwen.
    Der Direktor vergrub die Hände in den Hosentaschen und neigte den Oberkörper vor, als wollte er Van Leeuwens Haltung nachahmen. Sein Blick fiel ins Innere des Wagens, wo die Luger auf dem Beifahrersitz halb aus dem Umschlag gerutscht war. »Ist das eine Pistole?«, fragte er.
    »Meine Dienstwaffe«, erklärte der Commissaris. »Die Vorschrift besagt, dass wir sie immer bei uns tragen sollen, aber ich bewahre sie meistens in der Schreibtischschublade auf. Wollen Sie wissen, warum?«
    Ten Damme nickte zögernd.
    »Vor ein paar Jahren«, erzählte Van Leeuwen, »ich war damals noch Hoofdinspecteur, arbeitete ich an einem Fall, bei dem es um eine entführte junge Frau ging. Wir kannten den Entführer, konnten ihm die Tat aber nicht beweisen. Wir wussten, dass die junge Frau noch lebte, wir wussten bloß nicht, wo sie gefangen gehalten wurde. Ich ging allein zu dem Mann, den wir für den Entführer hielten. Ich drang in seine Wohnung ein, alles gegen die Dienstvorschriften, die selbst dann noch Geltung haben, wenn ein Menschenleben an einem seidenen Faden hängt. Ich fragte den Mann ein letztes Mal, wo er die entführte Frau versteckt hielt. Er lachte mir nur ins Gesicht. Da habe ich ihn gepackt, gegen die Wand geschmettert und ihm die Mündung meiner Dienstwaffe gegen die Stirn gepresst. Keine Kollegen, keine Zeugen, kein Anwalt, nur er und ich und meine Luger, die ich ihm so fest in die schweißüberströmte Stirn bohrte, dass ich glaubte, den Knochen knirschen zu hören. Erbarmungslos habe ich die Macht ausgenutzt, die mir die Waffe gab, und wir spürten beide, dass ich bereit war, abzudrücken, wenn er nicht redete. Meine ganze Frustration, meine ganze Wut zitterte in der Hand, mit der ich die Pistole hielt, während ich ihm in die Augen starrte und sah, wie sie sich veränderten, wie die nackte Angst sie so weitete, dass ich bis in die Tiefen seiner erbärmlichen Seele schauen konnte. Er machte sich in die Hosen und rückte mit dem Versteck heraus, wo wir die junge Frau finden konnten, undwir fanden sie lebend. Niemand erfuhr, wie ich an die Information gekommen war. Ich wurde ausgezeichnet, belobigt, befördert. Aber noch heute schäme ich mich für das Gefühl, das ich hatte, als ich die Angst des Mannes in seinen Augen sah und wusste, mit einem kleinen Fingerzucken konnte ich sein Leben beenden. Ich schäme mich dafür, weil ich weiß, dass ich es wieder kriegen kann. Deswegen trage ich meine Waffe nie bei mir. Aber jetzt«, Van Leeuwen schlug mit der Hand eine Delle in die Kühlerhaube des Alfa, »jetzt würde ich sie am

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