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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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fürchterlichen Augenblick, da er sich nach ihr sehnen würde, mit offenen Augen, blind in der Dunkelheit, und nicht glauben konnte, dass sie nicht mehr war. Es nicht glauben konnte, aber doch unwiderruflich erkennen musste, dass es so war. So und nicht anders.
    Er hörte Julika in der Küche hantieren. Genau genommen hörte er nicht wirklich Julika, er hörte nur die Geräusche, und wenn er sich darauf zu konzentrieren versuchte, wer sie verursachte, sah er eine Pistole hinten in einem Hosenbund, sonst nichts.
    Julika kam zurück. Der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee erfüllte den Raum. »Ich bring Ihnen das Mozzarella-Sandwich, das in der Küche war. Ich weiß, dass Sie Ihren Kaffee mit Milch trinken. Die Frage ist, ob Sie den letzten Rest Whisky reinhaben wollen oder nicht.«
    »Ja.«
    Sie stellte das Tablett auf das Bett und schraubte den Verschluss von der fast leeren Whiskyflasche, die neben dem Brettchen mit dem Brot und der Kaffeetasse auf dem Tablett stand. »Das nennt man dann wohl Irish Coffee«, sagte sie. »Sie kriegen ihn aber erst, wenn Sie das Brot gegessen haben. Sie müssen doch Hunger haben.«
    Gib mir die Pistole , dachte er. Setz dich zu mir, und dreh mir den Rücken zu. »Ja«, sagte er und richtete sich auf und griff nach dem Brot. Obwohl er Ja gesagt hatte, verspürte er nicht den geringsten Hunger. Trotzdem nahm er einen Bissen, kaute ihn und schluckte ihn herunter. Aber das Brot fand den Weg in seinen Magen nicht. Es war, als fiele es auf einen steinharten Muskel, auf dem es unverdaut liegen blieb, und dem zweiten Bissen ging es ebenso. Er spürte, wieihm wieder übel wurde. Er legte das Brot zurück. »Ich kriege nichts runter.« Stattdessen griff er nach der Tasse und führte sie bedächtig an den Mund. Seine Hand zitterte so sehr, dass er etwas von dem Kaffee verschüttete.
    Julika setzte sich auf die Bettkante, nahm ihm die Tasse aus der Hand und hielt sie ihm an die Lippen. Er trank den Kaffee mit dem Whisky in kleinen Schlucken. Er war immer noch müde, aber das taube Gefühl in seinem Kopf war nicht mehr so stark. Scheinbar übergangslos sagte Julika: »Weil Sie gestern und heute nicht im Büro waren, mussten wir Shak Sharma freilassen, ohne Anklage erheben zu können.«
    Van Leeuwen ließ sich zurücksinken und starrte an die Decke. Sie würde das Tablett nehmen und auf den Boden stellen, damit er später, wenn er doch noch Hunger bekam, das Brot in Reichweite hatte. Dabei würde sie sich vorbeugen und ihm den Rücken zuwenden, und er konnte die Pistole an sich bringen. Sie tat genau das, aber als er nach der Luger greifen wollte, stellte er fest, dass sie nicht mehr hinten in Julikas Hose steckte. Er war so enttäuscht, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen. Sie sah die Tränen und griff nach seiner Hand.
    »Ich wollte Ihnen noch sagen«, erklärte sie mit leiser Stimme, »es tut mir leid. Ich weiß, dass ich keine Ahnung habe davon, wie Sie sich jetzt fühlen. Was gerade in Ihnen vorgeht. Dieser Verlust ... Ich habe so was ja noch nie erlebt. Es kommt Ihnen bestimmt ... bestimmt unerträglich vor. Aber wenn Ihre Frau Sie jetzt sehen könnte ... Sie wusste doch, wie sehr Sie sie geliebt haben. Sie müssen es ihr nicht noch beweisen, indem Sie sich jetzt eine Kugel in den Kopf schießen. Wenn Sie sterben, dann stirbt sie noch mal mit Ihnen, und dann für immer.«
    Wie selbstverständlich legte sie sich neben ihn. Sie hielt noch immer seine Hand.
    Van Leeuwen betrachtete ihr Gesicht im Halbdunkel, wie sie da neben ihm lag und seine Hand hielt und tröstliche Dinge zu sagen versuchte. Es waren aber bloß Worte, die ihrem Mund entströmten wie einem Radio, das man auszuschalten vergessen hatte. Man hörtesie an der Schwelle des Bewusstseins und wünschte, sie sollten endlich verstummen.
    »Darf ich Sie etwas fragen?« Julika lag auf der Seite, mit dem Gesicht zu ihm, und hielt seine Hand.
    »Wenn es sein muss.«
    »Nein, dann nicht. Es muss nicht sein.« Sie ließ seine Hand nicht los, und als sein Blick auf ihrer beider Hände fiel, dachte er staunend, wie normal das aussieht, ihre Hand und meine Hand. Die einzige Hand, die er in diesem Bett jemals gehalten hatte, war die seiner Frau gewesen. Und jetzt, sie war noch nicht einmal unter der Erde, lag er hier und hielt die Hand einer anderen.
    »Ich weiß nicht, ob du das fragen wolltest«, sagte er mit belegter Stimme, »aber als ich ein junger Mann war, da hätte ich jedes schöne Mädchen auf der Straße oder im Café ansprechen

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