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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Gefühl, zu fallen. Alles drehte sich in ihm. Aber er fiel nicht, nicht ganz. Mühsam richtete er sich wieder auf. Sein Herz schlug weiter.
    Er tastete nach der Taschenlampe, schaltete sie ein und hielt sie hoch. »Siehst du mich?!«
    »Ich sehe dich!«
    Gallo hörte den Zaun scheppern, und etwas später hörte er Schritte, die sich raschelnd auf ihn zubewegten, und noch etwas später hörte er den Commissaris direkt hinter sich. Erschöpft ließ er die Taschenlampe sinken. Der Lichtkegel brach sich im Aluminium der Kühlschranktür. »Was machst du da, Ton?«
    »Ich versuche, am Leben zu bleiben.«
    »Warum stehst du nicht auf?«
    »Ich habe Angst, das Gleichgewicht zu verlieren.«
    »Und was passiert, wenn du das Gleichgewicht verlierst?« »Die Tretmine, auf der ich stehe, geht hoch.«
    Der Commissaris schwieg. Dann fragte er: »Wenn ich das Sprengstoffkommando rufe, schaffst du es, durchzuhalten, bis die da sind?«
    »Vielleicht.«
    »Aber du bist nicht sicher?«
    »Nein.«
    »Was für Alternativen haben wir?«
    »Du musst mir in die Hosentasche greifen und das Schweizer Armeemesser da drin rausholen.«
    Der Commissaris kam langsam näher, bis Gallo seine Schuhspitzen im Lichtkreis der Lampe sehen konnte. Gallo streckte eine Hand aus. »Hilf mir hoch.«
    Der Commissaris ergriff die Hand, und Gallo stand vorsichtig auf. »Die rechte«, sagte er. Van Leeuwen schob ihm die freie Hand in die Tasche und holte das Messer heraus. Gallo sagte: »Zieh die große Klinge heraus.«
    Van Leeuwen ließ seine Hand los und klappte die längste Klinge auf. »Und jetzt?«
    »Der Zünder der Mine ist unter meinem rechten Fuß«, sagte Gallo. »Wenn ich den Kontakt damit verliere, explodiert die Mine, und das Semtex in dem Kühlschrank da gleich mit. Du musst die Klinge zwischen meine Schuhsohle und den Zünder schieben – aber vorsichtig, hörst du? Und dann, während ich den Druck von meinem Fuß langsam verringere, musst du denselben Druck mit der Klinge aufrechterhalten.«
    »Hast du das in Bosnien gelernt?«
    »Ja.«
    »Hat es funktioniert?«
    »Ich habe es nie ausprobiert. Nimm die Lampe, und schau dir vorher alles genau an.«
    Der Commissaris ging neben ihm in die Knie, nahm die Lampe und richtete den Strahl auf Gallos rechten Fuß. Er legte die Lampe wieder hin, bevor er sich vorbeugte und mit der Stirn fast den Boden berührte, als er den Zünder der Mine suchte.
    »Kannst du was sehen?«, fragte Gallo.
    »Nein.«
    »Ich kann ihn spüren. Etwas unterhalb der Zehenballen.«
    »Ich habe seit zwei Tagen nicht geschlafen«, sagte der Commissaris. »Ich habe auch nichts gegessen, nur getrunken. Es könnte sein, dass ich zittere.«
    »Solange dir nur immer klar ist, dass ich dir mein Leben anvertraue«, sagte Gallo.
    Van Leeuwen sagte: »Das hat schon mal jemand getan, und der ist jetzt tot.«
    Gallo wusste, wen Van Leeuwen meinte, und er hätte gern etwas gesagt, um seinen Freund zu trösten. Aber er wusste, dass es keine Worte gab, die Bruno Trost spenden konnten, und was für einen Sinn hatte es dann, überhaupt irgendetwas zu sagen.
    Er sah hinunter auf seine Füße, wo Van Leeuwen gerade wie in Zeitlupe die Messerklinge unter die Sohle seines rechten Turnschuhs schob, unendlich langsam, vorsichtig, Millimeter für Millimeter, aber ruhig, sicher, keine Spur von Zittern, nur äußerste Konzentration, ein Millimeter und noch einer und der nächste, und Gallo spürte die Klinge durch das dicke Gummi unter seinem Fuß, er spürte es, als gäbe es nichts zwischen ihm und der Klinge, zwischen seiner Haut und seinen Nerven und dem dünnen Metall, das sich dem Druck unter seinen Zehenballen näherte, dort, wo er den Zünder mit seinem Körpergewicht niederdrückte.
    Er spürte, wie die Klinge sich dem Zünder näherte, und dann spürte er, wie sie auf den Widerstand stieß, auf die Stelle, an der die Sohle und der Zünder sich gegeneinanderpressten, und er wusste, dass es Van Leeuwen jetzt gelingen musste, die Klinge zwischen das Gummi und den Eisenstift zu schieben, ohne dass der Druck zu stark nachließ, und sobald ihm das gelungen war, musste er den Druck mit den Händen aufrechterhalten, wenn Gallo von der Mine stieg, er musste den Zünder glauben lassen, dass er noch immer von dem Gewicht eines Menschen unten gehalten wurde, während der Mensch längst nicht mehr da war, sondern einen schweren Stein oder einen Brocken Eisen holte, den er stattdessen auf die Klinge legen konnte, auf die Messerklinge und den Zünder, denn dann

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