Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall
Licht, die blauen und die matten und die dunklen Tücher von Nacht und Licht und halbem Licht, ich breitete die Tücher dir zu Füßen ... Ihr habt das dunkelblaue Tuch, zu dem er aufschaute, es ist eure Uniform, und die habt ihr nicht nur, damit sie im Schrank hängt und allmählich von den Motten gefressen wird.«
»Wir haben sie auch, um bei offiziellen Anlässen passend gekleidet zu sein«, bestätigte Van Leeuwen, »als da wären: der Neujahrsempfang des Bürgermeisters, Fernsehauftritte, öffentliche Belobigungen und Begräbnisse im Dienst getöteter Polizeibeamter –«
»Wo du schon davon anfängst«, unterbrach der Hoofdcommissaris ihn, »ich halte heute Mittag eine Pressekonferenz ab.« Sein Blick wanderte zu dem Foto von Amir Singhs zerschnittenem Gesicht an der Pinnwand neben der Tür. »Was wissen wir bis jetzt über den Fall?«
Van Leeuwen sagte: »Wir wissen, wer der Tote war, wo er herkam, wo er wohnte und mit wem. Wir wissen, dass er von zwei verschiedenen Tätern im Abstand von etwa einer Viertelstunde angegriffen und getötet wurde. Und dass er vorher von jemandem bedroht oder unter Druck gesetzt worden ist, vorausgesetzt, die Angaben seinerLebensgefährtin entsprechen der Wahrheit. Der Tote hatte die Blutgruppe AB positiv, und das ist auch das einzige Blut, das am Tatort gefunden wurde. Die Spurensicherung hat keine anderen Fingerabdrücke als die des Toten und des Besitzers des Hausboots entdeckt, dafür aber mehrere Turnschuhabdrücke, unter anderem der Größe 42 und der Größe 38. Was wir nicht wissen: mit welcher Waffe Amir Singh ermordet wurde oder –«
»Für die Pressekonferenz reicht mir das, was wir wissen«, sagte der Hoofdcommissaris.
Das Telefon klingelte. Joodenbreest betrachtete es interessiert, als hätte er nicht gedacht, dass so ein Apparat in Van Leeuwens Büro tatsächlich funktionieren würde. Der Commissaris meldete sich. »Ja?« Der Hoofdcommissaris nickte ihm zu, griff nach seiner Uniformmütze und klemmte sie sich unter den Arm. »Die Beurteilungen«, erinnerte er Van Leeuwen, bevor er das Büro verließ.
»Wir wissen jetzt mehr über die Tatwaffe«, sagte Doktor Holthuysen, der in der Gerichtsmedizin ebenfalls über ein funktionierendes Telefon verfügte. »Es handelt sich um ein Schälmesser mit einer blaugepließteten Klinge aus Kohlenstoffstahl, etwas mehr als fünf Zentimeter lang, die an der Spitze wie ein Vogelschnabel geformt ist. Der Griff dürfte aus Kirschbaumholz bestehen, aber das ist nur eine Vermutung. Wahrscheinlich wurde es in Solingen in Deutschland hergestellt –«
»Das heißt, der oder die Täter könnten aus Deutschland sein?«, erkundigte sich der Commissaris.
Der Pathologe schmunzelte. Er war der einzige Mensch, der hörbar schmunzeln konnte. Er war auch der einzige, dem es gelang, mit Semikolon zu sprechen. »Stahlmesser aus den Werkstätten von Robert Herder oder Güde in Solingen werden in der ganzen Welt benutzt«, sagte er. »Ihre Qualität ist unübertroffen, vergleichbar nur mit den Messerschmieden von Sabatier in Frankreich und der Yoshisada-Schmiede in Japan.«
»Ist das von irgendeiner Bedeutung, dass die Klinge aus Kohlenstoffstahl ist?«, wollte Van Leeuwen wissen.
»Für den Fachmann bestimmt«, führte Holthuysen aus. »Eisenist ja von seiner Natur her eher weich und wird erst durch die Bearbeitung in der Schmiede hart, also durch hüttentechnische Verfahren wie Schmelzen, Frischen und Puddeln. Ein gutes Messer muss aber nicht nur hart, sondern gleichzeitig auch elastisch und bruchfest sein. Deswegen werden hochwertige Messer geschmiedet, das heißt, so lange mit dem Hammer gestaucht, gestreckt und verdichtet –«
»Es handelt sich demnach um ein hochwertiges Messer?«, unterbrach der Commissaris.
»Unlegierter Kohlenstoffstahl«, fuhr der Pathologe unbeirrt fort, indem er Van Leeuwens vorangegangene Frage aufgriff, »lässt sich besonders hoch härten und äußerst scharf zurichten. Je höher der Kohlenstoffanteil im Stahl, desto härter kann ein Messer geschmiedet werden. Ein Messer wie unsere Mordwaffe verdankt seine besondere Schnittstärke daher dem Material, das sich aufgrund seiner Beschaffenheit immer wieder selbst schärft. Im ständigen Gebrauch – in einer Restaurantküche beispielsweise – nutzt die Klinge sich gleichmäßig ab, und der spitze Schneidewinkel bleibt so immer erhalten.«
»Wie haben Sie diese Klinge bezeichnet?«
»Blaugepließtet«, erklärte der enzyklopädisch gebildete Pathologe
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