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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Schallplatte auflegte, die sie zusammen gehört hatten. Er fand sie wieder, wenn er die Fotos betrachtete, die er von ihr besaß. Und natürlich fand er sie auch wieder, wenn er sie besuchte. Aber es war eine andere Simone, eine Frau aus seiner Erinnerung, die so vielleicht nie gelebt hatte.
    Noch immer traf es ihn mit erstaunlicher Heftigkeit, wenn seine Gedanken an ihre Untreue rührten. Nicht, weil der Vorgang als solcher ihn quälte; er hatte es sich nie in Bildern vorgestellt. Er wusste auch, dass man jemanden lieben und ihm dennoch gelegentlich untreu sein konnte. Es war der Umstand, dass sie damit neben ihm gelebt hatte, mit einem Geheimnis, während er dachte, es gebe keine Geheimnisse zwischen ihnen, es gebe nur Vertrauen.
    War er vielleicht blind gewesen für Andeutungen, für kleine Hinweise, die sie ihm gab in der Hoffnung, er könnte es selbst herausfinden, ohne dass sie es ihm sagen musste? Er hatte immer aufgehört, Detektiv zu sein, sobald er nach Hause gekommen war. Zu Hause war er Ehemann und Freund gewesen und nach all den Jahren manchmal auch noch Liebhaber. Nicht mehr verliebt wie am ersten Tag, aber immer noch voller Liebe. Blind vor Liebe, dachte er.
    Er stand auf, ging in die Küche und sah nach, ob noch Wein da war. Sonst müsste ich Wasser in Wein verwandeln . Er fand eine einsame Flasche, die es ihm ersparte, sich zu allem anderen nochan Wundern zu versuchen. Er fand sogar ein sauberes Glas. Trotzdem beschloss er, zuerst die Spülmaschine laufen zu lassen; in der Spüle und daneben türmte sich das Geschirr. Er räumte die Teller, Tassen und Gläser ein und stellte die Maschine an, dann wischte er die Krümel und Flecken vom Küchentisch. Anschließend schrieb er eine Einkaufsliste, die ganz oben mit Wein begann, gefolgt von Brot, Butter, Milch, Käse, Wurst, Wasser, Eier, Nudeln, Kartoffeln, Reis, Tomaten, Fleisch , alles, was er noch besorgen musste.
    Im Kühlschrank entdeckte er noch einen Teller mit kaltem Huhn und ein Schälchen Kartoffelsalat, ein karges Abendmahl, das er lustlos verzehrte, aus Pflichtgefühl seinem vernachlässigten Körper gegenüber. Von fern hörte er das Stampfen der Eisenrammen an den Westerdoks, wo die Stadt weiter und weiter ins Ijsselmeer hineinwuchs. Das Geräusch erschien ihm bedrohlich in seiner mechanischen Monotonie, die kein Erbarmen und keine Ermüdung kannte. Ich bin nur einsam, dachte er, das ist alles. Und damit bin ich nicht allein.
    Endlich entkorkte er den Wein, schenkte sich das Glas halb voll und leerte es im Stehen. Säufer, dachte er. Er nahm Glas und Flasche mit ins Wohnzimmer. Das Licht, das von der Gracht hereinfiel, reichte ihm. Er stellte das Glas und die Flasche neben das Telefon, bevor er das Telefon nahm und zurück in die Diele trug. In der Diele dachte er daran, wie Julika ihn angesehen hatte, als sie gestern Nacht gegangen war. Dann fiel ihm ein, was sie gesagt hatte.
    Sie hatte den Koffer auf dem Boden vor der Kammer betrachtet und gesagt, mein Vater hat auch so einen auf dem Schrank in seinem Schlafzimmer. Darin bewahrt er sein ganzes Leben auf.
    Aber das hier war der Koffer seiner Frau, und er enthielt kein Leben, nur Sachen, die ihr gehörten. Sachen, die verletzten, wenn man sich ihnen widmete. Van Leeuwen drückte die Schlösser zu, öffnete die Tür der Kammer und knipste das Licht an. Er stellte den Koffer zurück an seinen Platz oben auf dem Regal. Ganz unten stand sein eigener Koffer, den er seit einem Jahr nicht mehr benutzt hatte; seit der Reise nach Siena mit Simone.
    Koffer.
    Er entsann sich ihres Blicks, des plötzlichen Lebens in ihren Augen, als sie das Wort gesagt hatte. Er bückte sich, zog das Lederungetüm hervor und öffnete es. Der Koffer war leer. Enttäuscht schloss er ihn wieder. Während er sich fragte, wovon er eigentlich enttäuscht war, fiel ihm ein, dass sie noch einen hatten, einen weiteren Koffer, der sich weder ihm noch ihr genau zuordnen ließ, weil keiner von ihnen ihn je benutzte. Er sah fast genauso aus wie der, den Simone mit ins Pflegeheim genommen hatte, und er lag seit Jahren unter dem Bett im Schlafzimmer.
    Als er ins Schlafzimmer ging, drückte er auf alle Lichtschalter, an denen er vorbeikam. Er hatte das Gefühl, sein Herz in jeder Ader schlagen zu fühlen. Er bückte sich neben dem Bett, und da war der Koffer, und er zog ihn unter dem Bett hervor, und ohne auf den klebrigen Staub zu achten, öffnete er die beiden Schnappschlösser.
    Der Brief lag auf dem Kofferboden. Es war ein

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