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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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oder an Gott. Ich bin Wissenschaftler. Religion, Gut und Böse, gottgefälliges Handeln – das, wissen Sie doch, ist nur Opium fürs Volk, sonst nichts.«
    »Und eine Wissenschaft, die nicht zum richtigen Handeln führt, ist nichts anderes als Opium für Intellektuelle«, entgegnete Van Leeuwen gereizt.
    Pieters hob sein Glas, eine Geste, die besänftigend wirken sollte. »Wie wär’s mit einem Whiskey, Commissaris ? Oder trinken Sie nicht im Dienst ?«» Natürlich trinke ich im Dienst«, antwortete Van Leeuwen. Es war allmählich dunkel geworden, und das Kaminfeuer warf seinen flackernden Flammenschein zwischen die Palmen und Urwaldgewächse, deren Wedel aus dem Dunkel ins Licht wuchsen.
    »Wir drehen uns im Kreis, Commissaris, merken Sie das nicht ?«, sagte Pieters, nachdem er Van Leeuwen einen großen Whiskey eingeschenkt hatte. »Richtiges Handeln setzt eine absolute moralische Wahrheit voraus, an der man sich orientieren kann. Aber vorhin haben Sie selbst gefragt: Was ist Wahrheit ?, weil Sie tief in Ihrem Innern und entgegen Ihren Worten wissen, wie unsicher der Boden ist, auf dem Sie sich bewegen. Wer sagt uns, was richtig ist, wenn wir nicht an Gott glauben ? Unsere Intuition ? Unser Gewissen ? Sie wissen so gut wie ich, dass dieser Kompass, der den Menschen den Weg zu seinem Tun weist, in jedem Land, zu jeder Zeit und in jedem Individuum verschieden ist. In einem Kulturkreis wird ein Mensch durch diesen Kompass zu einer Tat veranlasst, die Sie ein Verbrechen nennen würden. In einem anderen wird er davor gewarnt, je nachdem, wie er als Kind erzogen worden ist und welche Gebräuche um ihn herum üblich waren. Ich frage Sie also noch einmal: Was ist, wenn der, der den Mord begeht, aus einer Kultur kommt, in der diese Tat gar kein Mord ist, gar kein Verbrechen ? Weil es dort andere Normen und andere Gesetze gibt und keinen inneren Polizisten namens Gewissen ? Und was ist, wenn er diesem inneren Kompass entsprechend richtig handelt, aber es in einem Land tut, in dem das als falsch gilt ? Mit welchem Recht kann man ihn dann bestrafen?«
    »Mit dem Recht«, hielt Van Leeuwen unbeirrt dagegen, »und nach dem Recht, gegen das er am Ort der Tat verstoßen hat. Und nach dem Recht, nach dem man auch den bestrafen wird, der ihn an diesen Ort geführt hat, ohne ihn darüber zu belehren, welche anderen Gesetze dort herrschen. Selbst wenn Sie, Professor Pieters, sich wie Ihr Adoptivsohn in der Kultur der Fore zu Hause fühlen und die der Niederlande heute ablehnen, haben Sie den Jungen um die Möglichkeit der freien Wahl betrogen, die zu einem zivilisierten Land gehört.«
    Pieters lachte müde. Er trank einen Schluck und gleich noch einen. Die Palmwedel warfen ein unruhiges Schattengeflecht über sein Gesicht. »Seit wann ist ein Land zivilisiert ? Und seit wann sind denn die Menschen zivilisiert ? Seit ein paar Jahrhunderten vielleicht, und trotzdem wird immer noch getötet, weil der Drang zu töten viel älter ist als jede Zivilisation. Seit es Menschen gibt, töten sie sich gegenseitig, allein oder in Rotten, zufällig oder mit voller Absicht, im Zorn oder mit Vorbedacht. Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte des Blutvergießens, aus politischen, religiösen oder ganz privaten Motiven. Sie können mir glauben, Commissaris – von den ersten drei Menschen war einer ein Mörder, und auch von den letzten beiden wird einer ein Mörder sein. Quod erat demonstrandum .«
    »Und der andere wird der Polizist sein, der ihn für seine Tat zur Rechenschaft zieht«, sagte der Commissaris und trank einen kleinen Schluck von seinem Whiskey. »So wie ich den Mörder von Kevin und Deniz stellen und vor Gericht bringen werde. Damit wären wir wieder bei Ihnen, Professor, denn die Spuren, die ich bei Ihnen gefunden habe, bringen Sie unzweifelhaft mit den beiden Morden in Verbindung. Und wenn Sie hundertmal für den Nobelpreis nominiert sind und glauben, Sie hätten alle Beweise beiseite- geschafft, ich werde nicht eher ruhen –«
    In Pieters’ Augen glitzerte der Widerschein der Flammen. »Also gut, Commissaris, meinetwegen, werfen wir doch einmal einen Blick auf Ihre Spuren: ein paar Haare, ein bisschen Haut, mehr ist es doch nicht, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Aber was beweisen Ihre Funde denn ? Selbst wenn sie mit etwas übereinstimmen, das Sie bei den beiden toten Jungen gefunden haben, heißt das etwa, dass ich ihr Mörder bin ? Beweisen sie, dass ich jemand anderen zu den Morden angestiftet habe ? Führen

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