Und was, wenn ich mitkomme?
sondern wirft sich fiepend dagegen, rollt sich auf den Rücken und bietet der Menschenhand seinen Bauch zum Kraulen dar. Pit schließt sofort Freundschaft und der kleine Kerl weicht ihm, so lange es die Kette erlaubt, nicht von der Seite. Wer weiß, vielleicht ist das irrsinnige Gebell der Hunde hier nicht so sehr Drohung, sondern Jammer nach ein paar Streicheleinheiten. Die Viecher tun uns leid.
Pit braucht nicht zu klingeln. Die Tür des Hauses öffnet sich, und heraus tritt eine Frau in einem zerschlissenen Kittel, die doppelt so alt aussieht, wie ich es bin. Sie sieht unsere Rucksäcke und zieht sofort die richtigen Schlüsse: Wir sind Pilger, die die Kirche besichtigen wollen. Sie schlurft vor uns her und öffnet die alte Holzpforte der Kirche. Drinnen ist es kühl und stockfinster. Die Frau schaltet das Licht an. Wir stehen in einem altehrwürdigen Raum voller Kostbarkeiten. Unsere Führerin weist uns begeistert auf jedes Bild hin, jede Madonna und sogar auf den Fußboden. Natürlich verstehen wir wieder kein Wort, aber doch die Bedeutung dieses historischen sakralen Raumes. Wir lassen uns anstecken vom Enthusiasmus der Kirchenhüterin und sind ergriffen und froh, dass wir der Empfehlung des alten Mannes gefolgt und nicht an diesem Kleinod vorbeigelaufen sind.
Hinter der Kirche breitet ein uralter Baum seine armdicken Äste über einem hübschen Sitzplatz mit Bank und Tisch aus, der ideale Rastplatz. Doch für eine Pause scheint es uns noch zu früh, und so marschieren wir nach der Kirchenbesichtigung weiter. Es geht einen matschigen, weichen Pfad neben einem Bach talabwärts, und nach drei Kilometern öffnet sich der Wald zu wunderschönen Apfelbaumwiesen hin. Die Bäume stehen in voller Blüte. Und jetzt sticht sogar die Sonne durch die Wolken. Die Apfelblüten sind rosig überhaucht, das kniehohe Gras wispert im Wind, der Bach rauscht geheimnisvoll. Die Autobahnbrücke ist zwar in Sichtweite, aber hier scheint es nicht viel Verkehr zu geben. Das Zwitschern der Vögel und das Plätschern des Baches übertönen das meiste, und so beschließen wir, unser Picknick an diesem romantischen Fleckchen einzunehmen. Pit ist heute der Koch: Es gibt Brot, Käse, Paprika und als postres (Nachtisch) süßen Flan. Nach dem Essen breite ich mein Regencape im lichten Schatten eines Apfelbaumes aus und rolle mich zu einem kleinen Nickerchen zusammen, während Pit in sein Tagebuch schreibt:
Die Ruhe und die Abgeschiedenheit tun uns gut. Trotz tief hängender Wolken ziehen uns die Landschaft und die alten Häuser in ihren Bann. Nichts ist langweilig. Ich vergleiche nicht mit den vergangenen Tagen. Alles ist schön und neu. Jeder Tag hat seinen eigenen Reiz. Jetzt machen wir unsere Mittagspause an einem kleinen Fluss mit Namen La Vega...
Es ist halb zwei. Eigentlich ist Sebrayo unser Etappenziel. Aber es ist noch früh, und wir sind gut ausgeruht. Deshalb entscheiden wir uns, sechseinhalb Kilometer weiter nach Villaviciosa zu gehen.
Der Weg ist sehr malerisch, aber so schlammig, dass unsere Schuhe schon nach wenigen Metern aussehen wie aus einem Dreckloch gefischt. Das beste Schuhputzmittel ist, durch feuchte hohe Wiesen zu schlurfen, was jetzt aber nicht funktioniert. Denn die Sonne scheint so heiß, dass das Gras sofort trocken ist. Die Halme rascheln an unseren Sohlen vorbei und können bestenfalls da, wo sie strohig und hart sind, als Bürste herhalten, was besser ist als nichts. So lassen sich wenigstens die dicksten Erdklumpen von den Sohlen rubbeln.
In Villaviciosa gibt es keine Pilgerherberge. Aber weiter wollen wir heute nicht mehr. Immerhin haben wir ein Pensum von gut 23 Kilometern absolviert, und auf den nächsten 30 Kilometern werden wir laut Wanderführer vermutlich keine Übernachtungsmöglichkeit finden. Also trinken wir erst mal café con leche und fragen die Bedienung in dem Café nach einem billigen hostal. »Buscamos una hostal economico«, bringe ich recht fließend heraus. Aber ihre Antwort zu entschlüsseln, traue ich mir dann doch nicht zu. Also zücke ich mein Tagebuch und meinen Stift und male auf eine freie Seite eine Straße mit einem Kreuz. Neben das Kreuz schreibe ich » aqui « (hier). Das Mädel ist clever und begreift sofort. Sie nimmt mir den Stift aus der Hand und malt ein paar Striche und Pfeile und einen dicken Punkt, der das hostal darstellen soll. Ein Ministadtplan, mit dem wir ganz gut klarkommen. Das Haus, das sie uns empfiehlt, ist allerdings alles andere als »economico«, sondern
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