Und was, wenn ich mitkomme?
Anders die Schweden, mit denen Pit — der Kommunikative — sofort ein Gespräch anfängt. Sehr nett!
Jetzt sitzen wir mit Christian draußen auf der Veranda unserer albergue. Unsere Wäsche ist gewaschen und hängt strategisch günstig vor dem voll aufgedrehten Ofen auf dem Ständer, wir sind geduscht und guter Laune, rauchen Zigarillos, knabbern Erdnüsse und hören Musik aus Christians iPod. Pit und Christian verschwinden nach drinnen, um unser Halbzeitmenü vorzubereiten, während ich zur Musik aus dem Kopfhörer ein Trommelsolo auf dem Holztisch hinlege.
Ein Spanier trifft ein. Christian lädt ihn zum Essen ein, aber er nimmt von Pit bloß ein Glas Wein an. Er spricht kein Deutsch und Pit kein Spanisch. Es ist lustig mitanzusehen, wie die beiden mit Händen und Füßen kommunizieren. Auf dem Jakobsweg kann man mit ein bisschen Aufgeschlossenheit und gutem Willen ganz schnell Kontakt und Nähe zu anderen Menschen herstellen. Wenn beide Seiten mitmachen, ist es herrlich unkompliziert und meistens auch amüsant. Das jedenfalls ist unsere Erfahrung. Also: Auf weitere lustige und interessante Begegnungen!
22. TAG LA ISLA — VILLAVICIOSA
Es ist immer noch bewölkt, und wir sehnen uns nach Sonne. Als Doris mit uns lief, haben wir uns meistens irgendwann gegen fünf Uhr nachmittags gefragt: Was machen wir hier eigentlich? Jetzt frage ich mich das schon vormittags um neun. Die Luft ist raus und die Wandermotivation gleich null. Es graut mir vor dem Tag, vor jedem Schritt, vor dem vielen Rauf und Runter und dem Gewicht auf meinem Rücken. Aber es nützt nichts. Liegen bleiben geht nicht. Und so schäle ich mich mühsam aus meinem Schlafsack, packe meinen Kram zusammen und auf geht’s.
Nach einer Stunde Marsch erreichen wir Colunga, wo Christian, Pit und ich erst mal ausgiebig frühstücken. Wir sind uns einig: Essen ist weit mehr als bloß Nahrungsaufnahme. Essen ist Sich-was-Gutes-Tun. Es weckt die Lebensgeister und hebt die Moral. Ich fühle mich auch gleich viel besser. Christian will noch ins Internet-Café. Na, dann tschüss und Buen Camino... Grinsen auf unseren Gesichtern. Bis jetzt haben wir uns noch nicht einmal verabredet. Trotzdem sind wir uns immer wieder über den Weg gelaufen, haben uns gefreut, einander zu sehen, und sind manche Etappe zusammen gewandert. Mal sehen, wann wir uns wieder begegnen.
Hinter Colunga führt der Weg bergauf. Er zieht sich, ist aber nicht so steil, dass wir außer Atem geraten. Für mein Knie ist diese Steigung eine Wohltat, und obwohl wir nur auf Asphalt laufen, bleibe ich schmerzfrei. Immer höher geht es in die Berge hinein. Wir stoßen fast an die Wolken. Schade, dass es so diesig ist. Mit Fernblick wäre das hier bestimmt ein Traum. Aber es gefällt uns auch so sehr gut. Wir kommen durch viel Wald und verschlafene, urwüchsige Siedlungen, in denen schon eine Straßenlaterne verwundert. Es scheint, als wäre hier die Zeit stehen geblieben. Wir begegnen keiner Menschseele. Es sind keine Kühe auf den Wiesen. Kein Hund kläfft. Alles ist still, einsam und friedlich.
Erst in dem winzigen Dorf Prisca stoßen wir auf einen alten Mann, der den Eingang zu seiner windschiefen Scheune kehrt. Er stellt seinen Besen ab und gestikuliert mit den Armen in unsere Richtung. Dabei brabbelt er unaufhörlich vor sich hin. Natürlich verstehen wir nichts, obwohl es klar ist, dass er uns etwas sagen will. Ich kann bloß die Worte iglesia, llave, casa, und dos heraushören — Kirche, Schlüssel, Haus und zwei. Darauf soll sich mal einer einen Reim machen. Des Rätsels Lösung finden wir in unserem Wanderführer. In dem steht, dass es hier eine prächtige Kirche gibt, die Reste aus präromanischer Zeit enthalten soll. Den Schlüssel kann man sich im Haus Nr. 2 abholen. Um die Kirche sind wir schon herumgelaufen, meterdicke Sandsteinmauern, trutzig und unerschütterlich, die Tür fest verriegelt.
Aha, verstanden, alter Mann, nickt Pit. Um dem Alten eine Freude zu machen, aber auch aus Neugier, schauen wir nach Haus Nr. 2 aus. Kein Problem. Der Mann weist uns den Weg. Zur Haustür führt ein langer Weg durch einen Vorgarten. Mitten darauf liegt an einer Kette ein zotteliger Köter mit Überbiss und einem nicht sehr vertrauenerweckenden Gesichtsausdruck. Er ist zwar nicht besonders groß, aber auch die kleinen Biester können giftig werden. Pit nimmt die Herausforderung mutig an. Und — о Wunder — als seine Beine in Bissnähe des kleinen Kläffers geraten, schnappt der nicht etwa zu,
Weitere Kostenlose Bücher