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Und was wirst du, wenn ich gross bin

Und was wirst du, wenn ich gross bin

Titel: Und was wirst du, wenn ich gross bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Kemmler
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muss kurz erwähnt werden, eine Jugendherberge - oder, wie man in Australien sagt, ein Backpackers Inn - ist nicht mit Einrichtungen solcher Art in Deutschland zu vergleichen. Da geht nicht um zehn Uhr abends der Leiter mit Schäferhund auf Patrouille, um geschmuggelte Schnapsware zu konfiszieren, in Australien sorgt der Leiter im Gemeinschaftsraum für angemessene Musik zum gemeinsamen Genuss der Getränke. Wer einen leichten Schlaf hat, wird in den abgelegeneren Räumen des Hauses untergebracht, und fast alle unterstützen einen dabei.
    Als jemand einmal die Zeche prellen wollte, haben sich sofort der Waliser Fußballfan und der bereits erwähnte australische Fischer bereiterklärt, mir im Unterstreichen der Sinnhaftigkeit von Unkosten für Logis zu helfen. Dieses Prinzip war mir bisher nur aus Mafiafilmen geläufig. Die beiden waren so überzeugend, dass der Ertappte nicht nur die Kosten beglich, sondern sogar noch ein kleines Trinkgeld gab, welches in die Kaffeekasse wanderte und folgerichtig in Weinkanistern angelegt wurde.
    In der Tat gibt es öfter mal Situationen, in denen ein Waliser Fußballfan und ein australischer Hells Angel hilfreich wären, ich denke da beispielsweise an Behördenbesuche.
    Besondes gut kam bei den Bewohnern die von mir initiierte Aktion »Pfannkuchen-Charity« an. Ich machte gefüllte Pfannkuchen, was lange dauerte, aber von den Zutaten her sehr günstig war, und verkaufte sie zu angemessenem Preis stückweise als Mittagssnack. Hierzu muss man wissen, gefüllte Pfannkuchen zu gutem Preis entsprechen in Nordaustralien vom kulinarischen Wert her in etwa dem, was der Saharareisende vom Durst her mit einer Oase verbindet. Die Auswahl von günstigem Essen mit richtigem Essen drin war in Darwin sehr eingeschränkt und entsprach in etwa dem Mittagstisch der Schule in Pensacola.
    Besonders seltsam war, dass Darwin eine Stadt ist, die traditionell von der Fischerei lebt, aber nirgendwo Frischfisch zu kriegen war. Nicht in Geschäften und auch nicht in Restaurants, nicht mal in den teureren. Der gefangene Fisch wird vom Schiff abverkauft, in Kühlwägen dreitausend Kilometer nach Adelaide transportiert, dort in Fabriken verarbeitet, tiefgefroren, und dann unter anderem dreitausend Kilometer zurück nach Darwin gefahren, um in den örtlichen Restaurants und Läden die Fischfreunde zu erfreuen.
    Dieses Prinzip setzte sich beim Baden fort. Darwin liegt wie erwähnt am Meer. Doch aufgrund des Vorkommens einer bestimmten Quallenart, sogenannten »Sea Wasps« oder »Box Jellyfish«, ist es absolut unratsam, im Meer zu baden, da diese Quallen sehr gefährlich, sehr schmerzhaft und in vielen Fällen sogar tödlich sein können. In den zahlreichen Flüssen und Bächen rund um Darwin sollte man wegen der Leistenkrokodile sowieso auf keinen Fall schwimmen gehen. Also ist man am Meer, zusätzlich umgeben von massenweise Süßwasser jeder Art - Fluss, Teich, Bach, See -; will man aber, von so viel Feuchtgebieten inspiriert, zum Baden gehen, muss man sich in einen der wenigen Swimmingpools versenken.
    Diese beiden Prinzipien sollten stellvertretend werden für meinen Umgang mit beruflicher Findung und vor allem für den Umgang mit Selbstvertrauen. Eigentlich ist alles da, aber wenn es nicht auf lange Umwege geschickt wird, komme ich da nicht ran. Und das im Überfluss Vorhandene einfach zu nutzen, erscheint mir immer viel zu gefährlich. Ich nehme an, dieses Prinzip erklärt auch, warum es überall so viele Musiker gibt, aber so wenig gute Musik. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eben keine Gerade.
    Aber zurück zu den gefüllten Pfannkuchen. Der Verkauf lief sensationell und brachte genug Geld ein, um davon ein rauschendes Fest für alle Bewohner zu organisieren. Es war eine richtig feine Feier, mit allem, was das Herz begehrt. Als guter König muss man eben auch für Brot und Spiele sorgen. Es endete in einer ausgedehnten Knutscherei mit einer fünf Jahre älteren, bezaubernden Australierin, die nur aufgrund der Ausgebuchtheit der Herberge und unserer Weigerung, ein öffentliches Ärgernis zu werden, nicht weiterführte. Ein würdiger Abschluss eines gelungenen Abends, und es wäre auch ein würdiger Abschluss meiner Regentschaft geworden.
    Die aber dauerte noch an.
    Am nächsten Tag schon bereitete mir die Australierin eine weitere Überraschung. Am fortgeschrittenen Abend kamen wir uns erneut näher, worauf sie mit mir nach draußen ging, durch den Garten bis zum angrenzenden Motel, in

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