Und was wirst du, wenn ich gross bin
heimatlichen Weihnachtsferien wollte ich das Ganze noch einmal überdenken, allerdings hauptsächlich, um gegenüber meinen Geldgebern nicht als zu impulsiv zu erscheinen. Eltern sind da gerne empfindlich.
Bevor ich Schottland verließ, hakte ich noch ein paar letzte Dinge auf dem Lehrplan ab. Ich trat bei Maisie’s auf, ein zehnminütiges Gagfeuerwerk, das die ersten dreißig Sekunden auch zündete. Diese dreißig Sekunden waren großartig, der Rest der Rakete ist wohl am treffendsten mit »Rohrkrepierer« umschrieben. Die Bühne war also nicht das meine.
Ferner erlangte ich in einer langen Nacht in den Highlands noch endgültig Gewissheit darüber, wirklich und ausschließlich heterosexuell zu sein. Bei einer Übernachtung mit einem Kumpel von der Uni empfing ich plötzlich Signale, die Kuscheln andeuteten. Und da er jemand war, den man auch nur bei geringstem Interesse nicht von der Bettkante gestoßen hätte, ich aber nur eine starke Faszination für die Zimmereinrichtung entwickelte, deren Begutachtung mich mehrfach zum Aufstehen zwang, war ich mir meiner Einseitigkeit sicher. Der Kumpel selbst war übrigens flexibel und hatte zu der Zeit eine Freundin, die ich auch kannte. Aber in den Highlands kann es eben manchmal so einsam werden, dass sogar der Begriff »Angus the Sheepshagger« in viele schottische Witze und Anekdoten Eingang gefunden hat. Doch bis dorthin reichte meine zoologische Neugier ebenfalls nicht.
Im Nachhinein fand ich es fast schade, mangels Neigung eine Erfahrung ausgelassen zu haben (den Freund betreffend, nicht die Schafe). Aber da kann man nichts machen. Auch Haggis schmeckt nicht jedem, das schottische Nationalgericht, das ich sehr schätze - ein mit Innereien und Hafermehl gefüllter Schafsmagen.
Obwohl mir also mein Studienplan so stimmig und schlüssig erschienen war, kam ich nach den Weihnachtsferien nur noch einmal zurück, um meine Habseligkeiten abzuholen.
Allerdings hatte ich das Gefühl, viel gelernt zu haben. Früher war es ja mal üblich, vor dem eigentlichen Studium an der Universität ein »Studium Generale« zu absolvieren, also ein allgemeinbildendes Studium. Die Zeit in Stirling war meines gewesen. Schade nur, dass ich kein Japanisch gelernt hatte.
Natürlich schmeckte der Abschied ein bisschen nach Niederlage, aber zwei Jahre später sollte ich erfahren, welches Prinzip hinter meinem Scheitern lag und warum es folgerichtig war, das Studium abzubrechen. Es lag an der Meniskusverletzung. Wenn man sein Knie nicht beugen kann, ist es schwer, akademisch voranzukommen.
Ich denke immer noch gerne an die Freunde dort, an die freundlichen Schotten und an den Rastakumpel, und möchte ihnen deshalb nach schottischem Brauch einen Toast ausbringen, mit den Zeilen eines meiner Lieblingslieder, das in England, Schottland, Wales und Irland immer zu Silvester gesungen wird, nämlich »Auld Lang Syne« von Robert Burns:
Should auld acquaintance be forgot
And never brought to min’?
Should auld acquaintance be forgot
And days of auld lang syne?
And there’s a haund, my trusty fiere
And gie’s a haund o’ thine
And we’ll tak’ ae richt guid wullie-waught
For auld lang syne.
Sollte alte Bekanntschaft denn vergessen sein
Und ihrer nicht mehr gedacht?
Sollte alte Bekanntschaft denn vergessen sein
Und die längst vergangenen Zeiten?
Hier meine Hand, mein treuer Freund,
Und schlag ein mit der deinen!
Und dann lass uns einen ordentlichen Schluck nehmen,
Der alten Zeiten wegen.
19
schauspieler
Leider war niemand bereit, meine erneute Kontemplationsphase als gute Gelegenheit für Sponsoring zu betrachten, wodurch wieder mal Bedarf an Barmitteln entstand. Also sah ich mich nach allem um, was gut bezahlt wurde. Von meinem Bruder erfuhr ich, der bestbezahlte Job als ungelernte Kraft, was aus irgendwelchen bürokratischen Gründen auf mich zutraf, war Leichenwäscher. Aber das war mir dann doch ein wenig zu materialistisch, auch wenn man dort vorwiegend mit Menschen zu tun hat, die sich vom Materiellen gerade wieder wegbewegen.
Eine Freundin erzählte mir von einem Vorsprechen für ein Theaterstück, das recht gut bezahlt war, was im Zusammenhang mit Theater ja keine Selbstverständlichkeit ist, auch wenn ich das damals nicht beurteilen konnte. Der Grund, warum die Worte »Theater« und »bezahlt« in einem Satz so befremdlich wirkten, ist ein vermeintlicher Lehrsatz, den meine Großeltern immer vertreten hatten und dem, wenngleich durch die
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