Und weg bist du (German Edition)
und führte mich zum Sofa. Dann eilte er in die Küche und ich hörte, wie er den Wasserhahn aufdrehte. Kurze Zeit später kehrte er mit einem nassen Handtuch zurück, das er mir behutsam auf den Hals legte. Die Kälte tat gut. »Erhol dich erst einmal«, sagte er und entfernte sich in Richtung des Raums, in dem ich geschlafen hatte.
Ich hörte, wie er das Fenster schloss, und sah dann, wie er auch die Fenster in den anderen Räumen überprüfte. Nachdem er das Haus verriegelt hatte, setzte er sich neben mich. »Wer war das, Jocelyn?«
»Ich weiß es nicht, aber es war schon das zweite Mal, dass jemand versucht hat mich zu erwürgen. Langsam ist es nicht mehr witzig. Du weißt, dass ich vor nichts so viel Angst habe wie davor.«
Ihm schien unbehaglich zu Mute zu sein. »Was ich dir in der Garage angetan habe, tut mir leid. Seit ich den Job geschmissen habe, bin ich ziemlich angespannt. Als ich dann gemerkt habe, dass sich jemand im Kofferraum des Autos versteckt, fürchtete ich, Zachary Saulto würde mich beschatten lassen. Deshalb bin ich so ausgetickt.«
Mir wurde klar, dass Noah die Vorkommnisse bei ISI mehr beunruhigten, als er zugab. Er fügte hinzu: »Natürlich hatte ich keine Ahnung, dass du es warst. Jack hat mir nie ein aktuelles Foto von dir gemailt, obwohl ich ihn darum gebeten habe.«
Mir gefiel, dass er Jack nach einem Bild von mir gefragt hatte. Mein nerviger Bruder ließ wirklich zu sehr den Beschützer raushängen. Er hätte Noah ruhig ein Foto von mir schicken können.
Er erhob sich und überprüfte abermals, ob die Fenster auch gut verschlossen waren. »Eigentlich hätte niemand reinkommen dürfen. Die Türen waren verriegelt und die Fenster ebenfalls. Ich bin gerade nach Hause gekommen, als ich dich plötzlich schreien gehört habe.«
»Der Typ hat mich immer wieder das Gleiche gefragt: ›Wo ist sie versteckt?‹. Wo ist was versteckt, Noah? Was wollte er?«
Ich schämte mich, weil meine Stimme so ängstlich klang, aber ich konnte es nicht ändern. Um mich herum geschah etwas Schreckliches, und je mehr ich herauszufinden versuchte, desto verwirrender wurde es.
»Konntest du sein Gesicht erkennen?«
Fröstelnd rieb ich mir die Arme und lehnte den Kopf ans Sofa. Mein Schädel brannte noch immer und ich fragte mich, wie viele Haare mir der Angreifer wohl ausgerissen hatte. »Nein, es war zu dunkel.«
Noah holte eine Fleecedecke, die er über mich legte.
»Danke.«
Anschließend setzte er sich wieder neben mich. »Ist es möglich, dass es Zachary Saulto war?«
»Nein, eine Glatze hatte der Typ nicht. Er hatte längeres Haar. Das ist alles, was mir aufgefallen ist, abgesehen von seinem Mundgeruch. Er stank fürchterlich nach Knoblauch. Aber das ist auch nicht sehr hilfreich, oder?«
Noah griff nach dem feuchten Handtuch auf meinem Hals. »Lass mich das mal genauer ansehen. Tut es weh?«
»Ein bisschen. Eigentlich müsste es schlimmer sein.« Ich fügte nicht hinzu, dass mir das umso mehr Sorgen machte, weil ich wusste, dass man keine Schmerzen verspürte, wenn man sich ernsthaft verbrannt hatte.
Mit einer Ecke des feuchten Handtuchs tupfte Noah vorsichtig meinen Hals ab. Dann begann er dünne, verbrannte Hautfetzen abzuziehen. Dabei beugte er sich so weit vor, dass sein Gesicht ganz dicht neben meinem war. Ich betrachtete ihn. Noah war in seinen Körper hineingewachsen, der einst so schlaksig und unbeholfen gewirkt hatte. Jetzt waren es markante Züge, die ihn attraktiv machten, nicht zuletzt durch den dunklen Dreitagebart. Der Junge von früher in Seale House hatte sich noch nicht einmal rasieren müssen. Schon damals war ich heimlich in ihn verliebt gewesen und jetzt war er reifer und maskuliner, als ich mir je hätte vorstellen können.
Mit ihm auf dem Sofa zu sitzen, während er behutsam mit seinen Fingern meinen Hals berührte, war eine seltsam sinnliche Erfahrung – abgesehen von der störenden Tatsache, dass er mich mit denselben Fingern vor einigen Tagen schlimmer gewürgt hatte als der brutale Kerl heute Nacht. Doch im Moment wollte ich nicht daran denken und konzentrierte mich lieber auf seine braunen Augen. Für einige Sekunden malte ich mir sogar aus, wie er mich in den Arm nahm und mich umschlungen hielt, so wie ich es mir früher immer gewünscht hatte. Wie wäre es, meine Lippen auf seinen Mund zu pressen? Ob er wohl geschockt reagieren würde, wenn ich ihn küsste?
Unsere Blicke trafen sich. Ich blinzelte und fragte mich, ob er mir meine kindischen Gedanken wohl
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