Und weg bist du (German Edition)
noch einmal zu durchleben. Zumindest würde Noah mir nun endlich glauben, dass Georgie erschossen worden war, doch das verschaffte mir wenig Befriedigung. Kommissar Iverson nahm Noah gerade in die Mangel. Was wäre, wenn er der Polizei erzählte, dass ich die Schießerei gesehen hatte? Wie sollte ich das alles erklären? Mir wurde eiskalt vor Angst. Ich rieb mir die Arme und stöhnte laut auf, als ich über die noch immer schmerzende Stelle mit dem Biss fuhr.
Schließlich wurde die Tür geöffnet und Noah trat mit Don Iverson heraus. Keiner von beiden sagte etwas. Ich ging mit ihnen bis in die Eingangshalle, wo der Kommissar erst mich und dann lange Noah ansah. Ich betrachtete ihn ebenfalls. Plötzlich kam er mir sehr jung vor. Seine Handlungen wirkten immer so erwachsen, aber im Inneren war er doch noch ein Kind, das einfach viel hatte durchmachen müssen. »Die Sache ist noch lange nicht vorbei, Noah«, mahnte Iverson. »Du bleibst auf jeden Fall in der Stadt, verstanden?«
»Ja.« Noah versuchte ruhig zu wirken, doch man sah, dass es aufgesetzt war. Mein schlechtes Gewissen war grenzenlos.
»Du rufst mich an, wenn etwas passiert.« Das war ein Befehl.
»Klar.«
»Dann wartet jetzt hier. Ich hole einen Beamten, der euch zu deinem Auto zurückbringt.«
»Danke.«
Iverson warf uns einen letzten Blick zu, dann entfernte er sich. Erleichtert atmete ich auf. »Was wollte er?«
Noah sah mich an und sagte dann mit leiser Stimme: »Er hat mich verhört.«
»Was hast du ihm erzählt?«
»Mein Gott, Jocey, was glaubst du wohl? Ich habe gelogen, um deinen Arsch zu retten. Wenn sie wüssten, dass du anwesend warst, als Georgie ermordet wurde, würden sie deine Fingerabdrücke nehmen. Die sind wahrscheinlich noch im System aus deiner Zeit, als du hier in Seale House warst. Und dann wärst du erst einmal dran.«
Ich sagte nichts und fühlte mich benommen. Ein Beamter holte uns ab. Noah und ich setzten uns auf die Rückbank des Streifenwagens. Unterwegs wechselten wir kein Wort und blickten nur schweigend in die langen Nachmittagsschatten, die den Sonnenuntergang ankündigten. Ich war bedrückt, weil sich Noah so zurückgezogen hatte, und je näher wir seinem Haus kamen, desto mehr fürchtete ich den Anblick des zerstörten Gebäudes. Gern hätte ich etwas gesagt, um ihn aufzuheitern, doch solange der Polizist zuhören konnte, war es mir unangenehm. Stattdessen streckte ich zögernd den Arm aus und schob meine Hand in seine. Er sah mich nicht an, aber nach ganz kurzem Zögern umschloss er sie.
Der Polizist setzte uns ab und fuhr davon. Noah und ich standen vor seinem Haus. Abgesehen von einem Müllwagen, der weiter oben in der Straße eine Tonne nach der anderen leerte, war die Straße wie ausgestorben. Wir gingen durch die offene Garage und ich vermied bewusst in die Richtung zu schauen, wo Georgies Leichnam gelegen hatte. Als Noah die Tür öffnete, die ins Haus führte, stach uns der Geruch von kaltem Rauch in die Nase. Gerade wollte ich einmal mehr mein Mitgefühl zum Ausdruck bringen, als er mich zurückhielt. »Warte hier.«
Ich widersetzte mich nicht und blieb erschöpft, durstig und niedergeschlagen in der Garage stehen. Als er nach kurzer Zeit wieder herauskam, folgte ich ihm zurück zur Straße, wo er Stunden zuvor seinen Jeep geparkt hatte. »Ist nichts mehr da?«
»Nichts, was sich zu retten lohnen würde.«
Ich blieb auf dem Gehsteig stehen und beobachtete, wie er niederkniete und die Unterseite des Wagens prüfte. Anschließend schaute er innen nach und brachte bald einen kleinen schwarzen Sender zum Vorschein, der unter dem Armaturenbrett befestigt gewesen war.
»Hat Gerard den dort angebracht, um uns verfolgen zu können?«
»Wer sonst?«
Er ging zur Mülltonne des Nachbarn und warf den Sender hinein. Dann beobachteten wir, wie sich der Müllwagen langsam näherte, bis er stehen blieb und die Tonne leerte. Als er fortgefahren war, stieg Noah in den Jeep und startete den Motor. Ich blieb weiter auf dem Gehsteig stehen und sah ihn durch das Fenster auf der Beifahrerseite an. Er drückte auf den Knopf für den automatischen Fensterheber, um es zu öffnen. »Kommst du jetzt oder nicht?«
»Willst du das?«
»Nein. Ich würde gern alleine losfahren und Gerard einen guten Grund liefern, mich endgültig loszuwerden.«
»Oh, daran habe ich noch nicht gedacht.« Ich öffnete die Tür und stieg ein. Er fuhr ab, ohne sich noch einmal nach seinem Haus umzusehen. Nach einer Weile holte ich den braunen
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