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Und weg bist du (German Edition)

Und weg bist du (German Edition)

Titel: Und weg bist du (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Kae Myers
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stieg in mir auf, genau wie vor einigen Tagen im Fahrstuhl des Peace Towers. Ich hatte das Gefühl, all meine Hoffnung würde in einen schwarzen Tunnel gesaugt werden und mich gleich mit sich reißen. Vielleicht hatte Noah Recht und wir sollten die Suche beenden. Was konnte dabei schon herauskommen, wenn Jack uns zu der Frau zurückführte, die ich fast genauso sehr gehasst hatte wie Melody?
    Ich zog den Ärmel wieder hinunter und zwang mich weiterzugehen, als der Toyota neben mir auftauchte. Noah öffnete das Fenster. »Steig ein.«
    »Nein«, widersprach ich und ging weiter.
    Als ich ihn fluchen hörte, fuhr ich herum und stemmte die Hände in die Hüften, ohne dem Schmerz in meinem Arm Beachtung zu schenken. Schweigend wartete ich ab.
    »Du kannst so unglaublich nerven!«, brummte er schließlich.
    »Ach, und du nicht?«
    Ich konnte sehen, wie sehr er mit der Beherrschung kämpfte. »Schon gut! Ich bringe dich zu Hazel. Aber jetzt steig endlich ein.«
    Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und schlug die Tür zu. Im selben Moment war ein Donnergrollen zu hören und kurz darauf wurde mit einem lauten Knacken ein großer Sprung in der Windschutzscheibe sichtbar. Wir beide starrten auf die Linie, die sich ausgehend von dem kleinen Splitter in der oberen Ecke ihren Weg schräg nach unten durch das Glas bahnte.
    »Was zum Teufel …?«, rief Noah.
    Wir beobachteten, wie der Sprung langsam die Form eines sich verzweigenden Blitzes annahm. Plötzlich fand ich die Situation nicht mehr unheimlich, sondern komisch und musste kichern. Noah drehte sich langsam zu mir um und starrte mich wütend an. Ich zuckte mit den Achseln. »Guck mich nicht so an! So kräftig habe ich die Tür nun auch nicht zugeschlagen. Vielleicht ist es der niedrige Luftdruck.«
    »Bestimmt.«
    »Ich hasse es, wenn du sarkastisch bist.«
    Er legte den Gang ein und fuhr los, ohne den Blick von dem Sprung zu wenden. »Wahrscheinlich war sie einfach fällig.«
    »Ja, sie hatte schon überall kleine Sprünge. Ich hoffe nur, dass deine Freundin, der diese Schrottlaube gehört, nicht sauer wird.«
    »Sie ist nicht meine Freundin.« Als wir »Park Street«, die Einrichtung für Betreutes Wohnen, erreichten, war unsere Wut aufeinander beinahe verflogen. Es war die gleiche Art von Waffenstillstand, die wir auch als Kinder nach einem Streit meistens geschlossen hatten.
    Zu dem eingeschossigen weißen Backsteingebäude mit dem Vordach führte eine halbrunde Auffahrt. Wir stellten das Auto ab und gingen durch die gläserne Schiebetür. Drinnen begab ich mich sofort zum Auskunftstresen und fragte nach Hazel Frey. Der grauhaarige Mann, der dort saß, suchte nach dem Namen und teilte mir mit, sie habe ihr Zimmer im Alzheimer-Flügel. Er erklärte uns den Weg, der durch einen Gang mit hübschen Aquarellen führte.
    Hazel hatte also Alzheimer. Bei jedem anderen wäre ich betroffen gewesen, doch Hazel war so herzlos gewesen, da konnte ich mir kaum Mitleid abringen.
    Die Tür zu dem Zimmer stand offen. Der Raum war jedoch leer. »Sie ist nicht da«, stellte Noah fest.
    Ich trat ein und er folgte mir. Die Wände waren cremefarben tapeziert und ein großes Fenster ging ins Grüne hinaus. Möbliert war der Raum mit einigen Schränken und Regalen, einem Bett, einem bequemen Sessel und einem auf einem Fuß stehenden Fernseher. Eine blaugrüne Patchworkdecke lag gefaltet am Fußende des Betts und ich erkannte drei kleine Gemälde wieder, die früher in Seale House im Besucherzimmer gehangen hatten.
    »Lass uns gehen«, drängte Noah.
    »Nur noch ganz kurz.« Ich betrachtete eine Pinnwand, an der einige Zettel und eine Karte befestigt waren. Dann ließ ich den Blick über die Regale wandern. Auf einem Brett befand sich der Nippes, der in Seale House in ihrem Schlafzimmer gestanden hatte. Auf dem zweiten Brett waren drei gerahmte Fotos, die mich schon mehr interessierten. Auf dem ersten war Hazel als junge Frau zu sehen. Man konnte sie erkennen, auch wenn ihr Lächeln untypisch war. Ein weiteres zeigte sie als etwa vierzigjährige Frau in einem Sessel sitzend. Auf dem Bild hielt sie ein Baby im Arm. Auf dem dritten Foto sah man ein kleines Kind in Latzhosen.
    »Was habt ihr in meinem Zimmer zu suchen?«, krächzte eine raue Stimme hinter uns.
    Wir drehten uns um und erblickten eine Frau im Rollstuhl. Sie trug noch immer dieselbe helmartige Frisur, nur dass die Haare grauer geworden waren. Ihre Züge waren verhärmt und der schlaffe Körper birnenförmiger denn je. Doch die

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