...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
werde ich dich vermissen. Aber du wirst doch verstehen, dass ich enttäuscht bin, noch so lange warten zu müssen. Nur das habe ich gemeint.«
»Ja, sicher.« Michaela fühlte sich ernüchtert. Wenn Vanessa enttäuscht war, warum dann nicht wegen der räumlichen Trennung von ihr?
»Hamburg?« fragte auch Tanja. »Aber dann können wir uns ja kaum noch sehen.« Ihre Stimme klang enttäuscht.
Michaela stellte fest: Das wäre eigentlich Vanessas Satz gewesen. Sie lächelte weich.
Tanja trug wie gewohnt ihr Herz auf der Zunge. »Und ich habe dir auch noch geraten, diesen Job anzunehmen«, fügte Tanja deprimiert hinzu. »Kann Vater niemand anderes schicken? Er weiß doch, wie sehr ich dich mag.«
Wie viele der Gäste hier im Café ließen auch Michaela und Tanja ihre Shoppingtour gemütlich ausklingen. Michaela rührte in ihrem Cappuccino. »Dein Vater bietet mir eine super Chance. So eine Stelle wird eigentlich nicht an Neueinsteiger vergeben. Er tut es sicher auch deinetwegen, um dir zu zeigen, wie sehr er dich mag.«
»Komische Art, das zu zeigen. Ich könnte es auch so auffassen, als gönne er mir meine neue Freundin nicht.«
»Hamburg ist nicht aus der Welt«, griff Michaela Kanters Worte auf. »Du kannst mich dort besuchen.« In dem Moment, in dem sie das sagte, wurde Michaela klar, dass es da ein kleines Problem gab. Wie stellst du dir das vor? Sollen Vanessa und Tanja eine Fahrgemeinschaft bilden? Vanessa wird sich schön verbitten, das Wochenende zu dritt zu verbringen.
»Du wirst in der Woche keine Zeit haben. Und am Wochenende wird Vanessa da sein«, erkannte auch Tanja. Resigniert stellte sie fest: »Und wieder mal nimmt mir das Familienunternehmen, was mir lieb und teuer ist.«
Michaela schwieg betreten. Ja, so musste es sich für Tanja darstellen. Und das würde garantiert nicht dazu beitragen, ihre Einstellung zur Firma zum Positiven zu ändern. Hatte Walter Kanter das übersehen?
»Wir können zusammen telefonieren oder mailen«, versuchte Michaela Tanja zu trösten. Und irgendwie auch sich selbst. Denn ja, sie würde Tanja vermissen. Dieses Eingeständnis musste Michaela machen.
»Ich will aber mehr. Ich will in deiner Nähe sein«, gestand Tanja kläglich. Sie rührte mit gesenktem Kopf in ihrem Milchkaffee.
»Ich werde so oft wie möglich an den Wochenenden nach Berlin kommen. Dann sehen wir uns. Versprochen.« Michaela schenkte Tanja ein aufmunterndes Lächeln.
»Wie oft wird das sein?« wollte Tanja wissen.
»Mindestens alle vierzehn Tage.«
»Vierzehn Tage? Und wenn was dazwischen kommt? Vier Wochen?«
»Das könnte passieren«, räumte Michaela ein.
Doch war das eigentliche Problem nicht ein ganz anderes? Mit ernster Miene sagte Michaela: »Tanja. Du darfst dich nicht so an mich klammern.« Schon wegen der Tatsache, dass ich deine Zuneigung nicht verdiene.
Tanja schaute Michaela groß an. »Wieso? Ist dir das unangenehm?«
»Aber nein. Es ist nur – so fühle ich mich notgedrungen für dich verantwortlich.« Zumal mein schlechtes Gewissen sein übriges dazu tut!
Tanjas fragender Blick ruhte immer noch auf Michaela. »Verantwortlich? Wie meinst du das?«
Ja, wie meinst du das, Michaela? Wie sollte sie Tanja ihr Dilemma erklären? Sie fühlte sich verantwortlich für Tanjas emotionales Befinden. In den letzten Wochen hatte sie Tanja manipuliert, teilweise gewollt, teilweise ungewollt, und damit deren Leben in neue Bahnen gelenkt. Tanja machte neue Erfahrungen. Sie war aber nach wie vor sehr verletzlich. Die neue, heile Welt konnte schnell zusammenstürzen. Dann würde sich Tanja wieder zurückziehen und noch unerreichbarer sein als zuvor. Und mit dieser Verantwortung müsste sie dann leben.
Michaela versuchte Tanja ihren Zwiespalt so gut es ging zu erklären. »Solange ich deine einzige Freundin bin, lastet auch alle Verantwortung auf mir. An jedem Erfolg, aber besonders an jedem Misserfolg habe ich irgendwie Anteil, weil du dich nach meinem Rat richtest. Und jetzt, wo ich nach Hamburg gehe, fällt es mir schwer, weil mir der Gedanke zusetzt, wie einsam du dich fühlen wirst. Es wäre leichter für mich, wenn ich wüsste, da sind noch andere Freunde, die dich auffangen.«
Tanja schaute betroffen drein. »Das tut mir leid. Ich will nicht, dass du dich meinetwegen schlecht fühlst. Keine Angst, ich finde mich schon zurecht. Das habe ich doch immer getan. Nur ist es mit dir eben schöner. Das war alles, was ich sagen wollte.«
Michaela wusste, dass das nicht stimmte. Sie sah
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