...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
Mund. »Die Kleine hat dir doch nichts getan. Warum bist du so eklig zu ihr?« Obwohl Jana die Frage eher scherzhaft stellte, sah die Runde interessiert zu Vanessa.
»Ich habe den Eindruck, Tanja ist ein wenig in Michaela verliebt«, sagte Vanessa kühl. »Zumindest bewundert sie sie. Das macht mich wohl etwas nervös.«
Michaela verschluckte sich fast. Sie sah Vanessa entsetzt an, schaute dann entschuldigend zu Tanja. Die anderen sahen gespannt zwischen den dreien hin und her.
»Wie kommst du denn darauf?« fragte Michaela. Ihr fiel leider nichts anderes ein.
»Stimmt es nicht, Tanja?« fragte Vanessa.
»Ja«, antwortete Tanja ohne Zögern.
Michaela folgte fassungslos dem Wortwechsel der beiden.
»Und, Schatz«, Vanessa fixierte nun Michaela, »ich glaube, du bist dafür empfänglich.«
»So ein Blödsinn!« wehrte Michaela entschieden ab. Wie konnte Vanessa so etwas sagen? Und dann noch vor den anderen. Wenn sie schon solche Hirngespinste hatte, warum sprach sie nicht mit ihr in einer ruhigen Minute darüber, zu zweit. Und Tanja? Sie war nicht viel besser. Sie ging auf die Konfrontation ein.
»Aber, Tanja, ich kann dir verraten, du kennst Michaela nicht halb so gut, wie du glaubst«, sagte Vanessa jetzt. »Du hast ein sehr idealisiertes Bild von ihr.« Michaela erstarrte. Was war in Vanessa gefahren? Sie wollte doch wohl nicht –
»Das ist schon möglich«, räumte Tanja ein. »Aber verrat mir doch, warum du Michaela gerade derart demütigst? Da stellt sich mir doch die Frage: Wann hast du aufgehört sie zu lieben?«
Totenstille im Zimmer. Janas bewundernder Blick traf Tanja. Sieh an, die Kleine hat Haare auf den Zähnen, sagte er. Bea und Lilly sahen einander mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Vanessa legte ihr Besteck ab. »Ich glaube, es ist besser, du gehst jetzt«, sagte sie mit eiskalter Stimme.
Tanja blieb sitzen. »Nur, wenn Michaela das auch will. Schließlich ist es ihr Abschiedsessen.«
Alle sahen zu Michaela. Die saß leichenblass auf ihrem Stuhl, völlig regungslos. Vanessas Blick durchbohrte sie.
»Tanja, bitte geh«, sagte Michaela tonlos.
Tanja stand folgsam auf. »Entschuldige. Ich wollte dir den Abend nicht verderben.« Ohne ein weiteres Wort ging sie.
Jana stand auf, um Tanja wenigstens zur Tür zu bringen.
Vanessa nahm ihr Besteck wieder auf und aß seelenruhig weiter.
Nachdem Tanja gegangen war, sprach Michaela kein Wort mehr. Ihre Freundinnen verabschiedeten sich kurz nach dem Essen. Keine von ihnen war erpicht darauf, in dieser gespannten Atmosphäre länger als notwendig zu verweilen.
Als sie allein waren, brach aus Michaela die angestaute Wut der letzten Stunde heraus: »Kannst du mir mal verraten, was das sollte? Warum führst du dich so gemein auf? Was hat Tanja dir getan?«
»Ich kann sie eben nicht leiden.« Vanessa machte jetzt keinen Hehl mehr aus ihrer Abneigung.
»Wieso?« wollte Michaela wissen.
»Tu nicht so! Meinst du, ich bin blind? Ich sehe doch, dass sich zwischen euch was zusammenbraut.«
»Da siehst du mehr als ich.«
»Das soll es schon gegeben haben, dass die betreffende Person länger braucht zu schnallen, was los ist. Tanja macht jedenfalls aus ihren Gefühlen für dich keinen Hehl. Das muss man ihr lassen.«
»Sie ist nicht lesbisch! Sie ist in Gefühlsdingen eben sehr naiv und manchmal etwas überschwänglich. Sie verwechselt Liebe mit Sympathie. Seit wann bist du überhaupt eifersüchtig?«
»Das verstehst du falsch. Ich bin nicht eifersüchtig. Ich verteidige nur meinen Platz«, stellte Vanessa richtig.
»Wo ist der Unterschied?«
Vanessa erklärte es ihr. »Ob diese Tanja in dich verliebt ist oder umgekehrt oder was auch immer, das ist mir völlig egal. Ob ihr miteinander schlaft, ebenso. Aber wir beide, du und ich, wir sind aneinander gebunden. Du wirst dein Versprechen einlösen und uns auf die Kanaren bringen. Sollte sich mir der Verdacht aufdrängen, du willst mit Tanja durchbrennen und mich hier sitzenlassen, dann werde ich Tanja stecken, was ich weiß. Dann gibt sie dir und ihrem Daddy einen Tritt in den Hintern, und es ist Essig mit deiner Karriere bei Kanter.«
Michaela starrte Vanessa fassungslos an. »Das würdest du tun? Du würdest mich derart bloßstellen?« Michaela fühlte sich mit einem Mal innerlich ausgebrannt. »Wann hast du aufgehört mich zu lieben?« wiederholte sie Tanjas Frage.
Vanessa zuckte nur mit den Schultern. Eine Antwort war ihr die Frage nicht wert.
Das war Michaela Antwort genug.
11.
E ine Woche
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