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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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deshalb machte ich es genauso. Obwohl ich eigentlich wütend darüber war, dass er sich so ohne weiteres an Tessa schmiegte und ihr einen Kuss auf die Wange gab, als hätte er am Tag zuvor nicht jemand anderen geküsst, als hätte er sie nicht hintergangen. Obwohl ich jedes Mal ein schlechtes Gewissen bekam, wenn Gav mich anlächelte, so als wäre ich diejenige, die etwas falsch gemacht hatte. Und währenddessen zermarterte ich mir den Kopf mit lauter Fragen, die ich gar nicht mehr abschütteln konnte. Wie lange hatte er das bereits vorgehabt? Hatte er schon früher daran gedacht, während ich in dem Glauben war, meine Gefühle für ihn wären aussichtslos?
    Wie hätte es sich wohl angefühlt, wenn ich seinen Kuss erwidert hätte?
    Ich schloss die Augen und verscheuchte all diese Gedanken. Leo hatte eine Menge durchgemacht. Vielleicht konnte er einfach nicht mehr klar denken. Ich sollte nicht böse auf ihn sein – ich sollte es lieber vergessen, wie ein Mädchen, das von seinem besten Freund geküsst wird, der anschließend verspricht, dass es nie wieder vorkommt, und für den es nichts empfindet, was es nicht empfinden sollte.
    »Komisch, dass ihnen überhaupt nicht kalt wird«, sagte Meredith, während die Frettchen im Schnee herumtollten. Sie grinste mich an, und mit einem Mal erfüllte ein ganz anderer Schmerz meine Brust. Der Gedanke, ihr sagen zu müssen, dass ich fortging, tat fast genauso weh wie die Erinnerung an die Nacht, als ich sie ins Krankenhaus bringen musste. Ich konnte ihr noch nicht einmal versprechen, dass ich bald wieder da sein würde.
    »Da ist jemand auf dem Wasser«, sagte Tessa plötzlich und zeigte ans gegenüberliegende Ufer.
    Auf dem Festland legte gerade ein kleines Boot vom Hafen ab. Es fuhr kurz Richtung Norden, dann wieder ein Stückchen Richtung Süden, so als wüsste der Fahrer nicht genau, wie man es navigierte, aber es steuerte definitiv auf die Insel zu.
    Tessas Eltern , dachte ich. Drew. Irgendwer von der Regierung, endlich! »Hey!«, rief ich und schwenkte den Arm, auch wenn mich auf die Entfernung natürlich kein Mensch hören konnte. Meredith wirbelte herum. Kaum hatte sie das Boot gesehen, begann sie auf und ab zu hüpfen und wie verrückt zu winken.
    »Hierher!«
    »Sie fahren zum Hafen, damit sie anlegen können, Mere«, sagte ich. Als das Boot sich näherte, sah ich, dass es kein Kajütboot, sondern ein Schnellboot war, hinter dessen Windschutzscheibe eine einzelne Person saß, was meine anfängliche Begeisterung deutlich dämpfte. Das konnte sonst wer sein. Eventuell ein Festlandbewohner, der hoffte, auf der Insel leichte Beute machen zu können.
    »Vielleicht ist es jemand, den wir gar nicht hier auf der Insel haben wollen«, sprach Leo aus, was ich dachte.
    »Wir könnten ihn am Hafen abfangen, darauf vorbereitet sein, dass er irgendwas versucht«, sagte Gav. »Abgesehen davon, dass er gerade direkt auf uns zukommt.«
    Das Boot hüpfte hektisch über die Wellen, hatte seine Fahrtrichtung aber definitiv vom Hafen weg auf uns zu geändert. Ich ging ein bisschen näher zu Meredith und legte ihr die Hand auf die Schulter. Ein paar Minuten später konnte ich den Fahrer deutlich genug sehen, um mit Sicherheit sagen zu können, dass ich ihn nicht kannte. Er nahm die Hände vom Steuer und schwenkte die Arme, so wie Meredith es getan hatte, wirkte dabei allerdings eher panisch als fröhlich.
    Als das Boot die Küste erreichte, ging Gav ans Ufer. »Alles in Ordnung?«, rief er.
    Der Mann steuerte so nah an uns heran, wie das flache Wasser es erlaubte. Unter der gefütterten Kapuze seiner Jacke wirkte sein Gesicht blass und schmal. »Ihr müsst hier verschwinden!«, brüllte er. »Sagt allen Bescheid! Ihr müsst sofort von der Insel runter!«
    »Was?!«, rief ich. »Warum denn?«
    Er hatte mich anscheinend nicht einmal gehört. »Sie sind jede Minute hier!«, schrie er. »Sie wollen die ganze Stadt in die Luft jagen!«
    In diesem Moment trug der Wind einen schwachen Laut an meine Ohren: das stotternde Rotorgeräusch eines Helikopters. Wir hatten schon seit Ewigkeiten keinen Nachrichtenhubschrauber mehr gesehen oder Hilfslieferungen aus der Luft bekommen. Ich erkannte einen kleinen dunklen Umriss am nördlichen Himmel, und als ich wieder zurück zu dem Mann in dem Boot blickte, hatte mein Pulsschlag plötzlich hektische Aussetzer. Auch er sah hinauf, mit einem Gesichtsausdruck einer Maus, auf die gerade ein Bussard zukommt. Blankes Entsetzen.
    Egal wovon er da redete, er war sich

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