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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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verstaute sie in der Box. Anschließend stapelte ich alles andere obendrauf, um auch ja nichts zu verlieren.
    Als ich wieder hinausstürmte, stiegen Rauchschwaden hinter den Bäumen auf, so dick, dass man hätte meinen können, die ganze Stadt stünde in Flammen. Bitte nicht das Krankenhaus , flehte ich leise und schob mich wieder in den Wagen.
    Die ganze Strecke bis zum Hafen hielt ich die Kühlbox fest umklammert auf dem Schoß und presste die Augen zu. Beißender Brandgeruch stieg mir in die Nase. Über uns dröhnte wieder der Hubschrauber. Ich zuckte zusammen und machte mich auf das Schlimmste gefasst. Ich konnte nicht unterscheiden, welche Erschütterung ich mehr spürte: die der explodierenden Bomben, die der einstürzenden Häuser oder womöglich noch etwas anderes, das außerhalb meiner Vorstellungskraft lag. Gav fing an zu keuchen, während er das Lenkrad hin und her riss.
    Am Hafen stand schon Tessas Wagen. Wir hielten direkt daneben, und ich taumelte mit der Kühlbox hinaus. Das Schnellboot, in dem Meredith und die anderen bereits warteten, schaukelte hinten an der Anlegestelle auf dem Wasser. Gav und ich rannten los, seine Hand auf meinem Rücken. Tessa nahm mir die Box ab und half uns hinein.
    »Er wollte schon ohne euch starten«, schluchzte Meredith und warf dem Fahrer einen vorwurfsvollen Blick zu. »Wir haben gedroht, ihn vom Boot zu werfen, wenn er das versucht.«
    Der Fahrer – unser Retter – war mehr damit beschäftigt, an den Himmel zu starren, als irgendwie schuldbewusst auszusehen. »Wir verschwinden jetzt von hier«, sagte er und packte das Steuerrad. »Bevor sie uns entdecken.«
    »Aber vielleicht kommen noch mehr Menschen aus der Stadt, um zu fliehen«, wandte ich ein. »Die anderen Boote sind alle zerstört. Wir müssen noch warten, ob …«
    »Nein«, erwiderte der Mann. »Wir können von Glück reden, dass wir nicht alle schon tot sind.«
    Damit riss er am Steuer, und das Boot schwang herum und entfernte sich rasch vom Dock. Während es in Richtung Festland raste, drehte ich mich noch einmal um. Die Stadt, in der ich den größten Teil meines Lebens verbracht hatte, loderte in Rauch und Flammen und wurde immer kleiner, je weiter sich die Meerenge zwischen uns und der Insel erstreckte.

Fünf
    Als wir den Hafen auf dem Festland erreichten, kletterten wir alle auf den Landungssteg und beobachteten die Meerenge, für den Fall, dass vielleicht noch jemand kam. Die Fähre lag noch unberührt da, genau wie die wenigen Boote an den privaten Anlegestellen, die nicht bei der Verwüstungsaktion der Soldaten vor zwei Monaten demoliert worden waren. Was wir außerdem sahen, konnte keiner von uns wirklich glauben. Mit blankem Entsetzen auf den Gesichtern starrten wir hinüber.
    Das war unsere Insel, die da in Flammen stand. Unsere Insel, die grell aufblitzte, als der Helikopter eine weitere Bombe abwarf. Zwischen den entfernten Umrissen der Häuser flackerte ein schwacher Feuerschein. Ein dichter Rauchschleier hing vor den Wolken. Meredith schauderte, und ich legte den Arm um sie.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit drehte der Hubschrauber endlich um und schwirrte in Richtung Norden davon. Er schrumpfte zu einem kleinen dunklen Fleck, dann war er verschwunden. Die Wellen klatschten gegen die Pfeiler des Landungsstegs. Eiskaltes Wasser spritzte in mein ohnehin schon taubgefrorenes Gesicht. Und noch immer konnte ich weder am Hafen der Insel noch am gegenüberliegenden Küstenstreifen irgendjemanden erkennen.
    Vielleicht waren ja trotz des ganzen Chaos die wichtigsten Gebäude unversehrt geblieben. Vielleicht ging es Nell und den anderen ja gut, und wir hatten nichts weiter verloren als ein paar sowieso schon leerstehende Häuser.
    Vielleicht waren wir aber auch die Einzigen, die den Angriff überlebt hatten. Das Ganze ergab immer noch keinen Sinn für mich. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich, dass der Mann, der uns herübergebracht hatte, verschwunden war. Wut schoss durch meinen benebelten Kopf. Ich hob die Kühlbox vom Boden auf, wo ich sie neben meinen Füßen abgestellt hatte, und marschierte den Landungssteg entlang.
    »Hey!«, rief ich, als ich die dahinter liegende asphaltierte Ladezone betrat. »Hey, Sie da, mit dem Boot!«
    Die Tür des Hafenbüros ging auf, und unser Retter trat heraus. Er hatte die Kapuze zurückgezogen, so dass ein schmales Gesicht unter seiner blonden, frisch rasierten Stoppelfrisur zum Vorschein kam. Seine Lippen waren überall aufgesprungen, und seine blauen Augen zuckten

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